Die Diskussionen zwischen Impfbefürwortern und Gegnern beschäftigen nun auch Krankenkassen und Politik. Für Hans Popper, General-direktor der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, ist die Grippeimpfung nämlich "ein Lehrstück, wie schwer es ist, Objektivität in die Diskussion zu bringen". Einflussnahme und Lobbyismus auf Meinungsbildner im Gesundheitswesen seien so stark verbreitet wie in keinem anderen Bereich, man müsse Einflussschleusen schließen, so Popper.

Ins gleiche Horn stößt der Sprecher der Patientenanwälte Gerald Bachinger. Ihm fehle eine Informationsschiene, die für alle Menschen leicht zugänglich und unabhängig ist. Was er damit meint? "Patienten müssen einfach aufbereitete, Industrie-unabhängige Expertisen bekommen", sagt Bachinger.

Hintergrund für die Kritik ist die Diskussion, dass Mitglieder des Impfausschusses im Obersten Sanitätsrat wiederholt auch bei pharmagesponserten Veranstaltungen aufgetreten sind. Der Vorsitzende des Impfausschusses, Ingomar Mutz, wiederum ist Präsident des privaten Vereins "Österreichisches Grünes Kreuz", der sich immer wieder öffentlich für Impfungen stark macht und dessen Vertreter erst kürzlich auf einer Pressekonferenz einräumten, dass man auch von der Industrie unterstützt wird.

Gerade über die Impfkommission im Obersten Sanitätsrat gebe es keine öffentlich zugänglichen Unterlagen zur Entscheidungsfindung und auch keine Offenlegung der Interessenkonflikte der Mitglieder, kritisiert Martin Sprenger, stellvertretender Leiter des Universitätslehrgangs Public Health der Medizinuniversität Graz. "Wichtige Empfehlungsgremien sollten transparent sein, das heißt, sie sollten alle Unterlagen zur Entscheidungsfindung sowie die Liste ihrer Mitglieder und deren Interessenkonflikte veröffentlichen."

Interessenkonflikte

Gesundheitsminister Alois Stöger hat auf die Kritik reagiert. "Ich habe beauftragt, dass Experten ihre Beziehungen zur Pharmaindustrie offenzulegen haben, und das passiert auch bereits", sagt er zum Standard. Und weiter: "Die Konsequenz ist jedenfalls, dass wir für Sachverständige ein höheres Maß an Sensibilität entwickeln müssen. Das Ziel ist unter anderem, dass die Transparenz vor allem auch für Fachbeiräte gilt." Als pauschale Verurteilung der Experten will Stöger seine Maßnahmen aber nicht verstanden wissen. Es sei ihm auch wichtig, dass es Experten gebe, die Austausch mit der Industrie haben, damit auch Informationen über Neuentwicklungen in die Diskussionen einfließen. "Natürlich gibt es auch Leute, die ihre ,conflicts of interest' nicht offenlegen wollen - wir verfolgen das aber sehr genau." Aus der Tatsache, dass jemand Interessenkonflikte nicht offenlegt, könne man auch den Wert einer entsprechenden Stellungnahme beurteilen.

Für Generaldirektor Popper reicht das nicht aus. "Die Offenlegung der ,conflicts of interest' sind wichtig zur Bewusstseinsbildung." Der Lobbyismus gehe aber auch in Richtung Ärzte und deren Fortbildung. Deshalb müssten auch die Unternehmen ihre Zahlen und Budgets veröffentlichen, wenn ihre Leistungen und Produkte vom öffentlichen Bereich finanziert würden. Popper: "Es braucht rechtliche und moralische Ebenen."

Patientenanwalt Bachinger bremst allerdings den Optimismus der Transparenzverfechter. "Wir werden im kleinen Österreich sicher nicht dorthin kommen, behaupten zu können, wir hätten lauter unabhängige Experten. Das ist ein Mythos." Gerade deshalb gehe es aber darum, alle möglichen Abhängigkeiten aufzuzeigen. "Dann kann jeder selbst beurteilen, ob das für ihn ein Problem ist oder nicht. Wenn dieser Druck kommt, sorgt er in jedem Fall für mehr Anständigkeit. Das ist in jedem Fall besser als das jetzige Halbdunkel."

Gesundheitsminister Stöger sieht seine Initiative zumindest als ersten Schritt: "Wir haben da jetzt eine Türe aufgemacht und werden das weiter verfolgen." (Martin Rümmele, DER STANDARD, Printausgabe, 16.11.2009)