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Lebensläufe sind das "Tor zur Arbeitswelt".

Foto: AP/Brinon

"Ist Schummeln im Lebenslauf erlaubt"? Viele tun es, aber kaum einer gibt es zu. User Bertram S. fragt sich in unserer Rubrik "Sie fragen – Wir antworten", ob das Aufpolieren einer Biografie arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann?

Sich im Zuge eines Bewerbungsprozesses in ein gutes Licht zu rücken, ist normal und wird allgemein praktiziert, meint Adrian Schnitzler von der Arbeiterkammer. Hier müsse man allerdings differenzieren, ob es sich um Bagatellen oder für den Job entscheidende Kenntnisse handle. Eine Bagatelle wäre etwa, bei persönlichen Interessen mit Yoga punkten zu wollen – obwohl man es gar nicht praktiziert. Entscheidende Kenntnisse können Referenzen wie Berufserfahrung oder das Beherrschen von Computerprogrammen sein.

Anzeige wegen Betrugs

"In den letzten Jahren ist uns kein einziger Fall untergekommen", sagt Schnitzler zu derStandard.at, dass ungerechtfertigtes Aufmunitionieren des Lebenslaufes kein Delikt ist, mit dem die Arbeiterkammer öfters konfrontiert wird. Laut dem Arbeitsrechtsexperten sind deswegen fristlose Entlassungen de jure zwar möglich, de facto kommen sie aber so gut wie nie vor. Sollte der Vertrag unter falschen Voraussetzungen zustande gekommen sein, kann dies aber in einer "Fristlosen" resultieren. Im schlimmsten Fall, warnt Schnitzler, könne auch eine Strafanzeige wegen Betruges erfolgen. Etwa wenn man bei den Vordienstzeiten schummle.

Intimsphäre ist tabu

Schnitzler rät, bei der Wahrheit zu bleiben, da es oft um grundlegende Dinge wie zum Beispiel die Einstufung beim Gehalt gehe. "Schadenersatzforderungen" könnten die Folge sein. Nicht wahrheitsgemäß antworten muss man bei Fragen, die die Intimsphäre des Bewerbers tangieren. Etwa Bereiche, die sexuelle Orientierung, Schwangerschaft oder Behinderung betreffen.

Während es sich kleine Betriebe nicht leisten können, bei Bewerbern alle Angaben im Lebenslauf auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, nehmen Unternehmen, bei denen Personalberatungen im Spiel sind, ihre Kandidaten sehr genau unter die Lupe. "Es passiert immer häufiger", sagt Tanja Skopek vom Personalberater Iventa, dass sich "Leute besser darstellen als es ihren Qualifikationen entspricht". Bis jetzt sei noch keiner damit durchgekommen, "man ist aber nicht davor gefeit", räumt sie gegenüber derStandard.at ein.

Referenzen, Zeugnisse, Telefonate

Das normale Bewerbungsprozedere sieht vor, dass die Leute einem genauen Check unterzogen werden: "Wir holen Referenzen oder Zeugnisse ein." Etwa in Form von beglaubigten Bestätigungen, Dienstnachweisen oder Telefonaten mit ehemaligen Arbeitgebern oder ehemaligen Lehrenden. Mit diesen Mechanismen, so Skopek, komme man Lügnern sehr schnell auf die Schliche. Sollten im Rahmen des persönlichen Gesprächs Fragezeichen auftauchen oder sich der Kandidat in Widersprüche verstricken, gebe es weitere Überprüfungen. "Das ist eine Frage des Bauchgefühls", erklärt Skopek. Im Laufe der Zeit entwickle man feine Sensorien, die Alarm schlagen.

Es gibt eine zweite Chance

Was passiert, wenn jemand beim Lügen ertappt wird? "Es kommt dann auf seine oder ihre Reaktion an", sagt die Personalberaterin, ob der Bewerber noch eine Chance erhält. Ein endgültiges sich ins Abseits manövrieren ist das noch nicht. Bei Iventa werden solche Fälle dokumentiert. Erst beim zweiten Schwindelversuch kommt die Person auf eine "Schwarze Liste": "Sie ist dann auf Dauer gesperrt." Skopek appelliert an die Ehrlichkeit. Übertreibungen oder das "Strecken" von Dienstverhältnissen brächten nichts: "Man soll offen dazu stehen, dass es zum Beispiel eine Phase der Arbeitslosigkeit gegeben hat." Das sei schließlich kein „Knock-Out-Kriterium". Auch Angaben über Soft Skills oder persönliche Interessen müssten einer Überprüfung standhalten. Über Frage- und Gesprächstechnik lasse sich die Wahrheit vom Wunschdenken destillieren, so Skopek.

Auf die Selbsteinschätzung kommt es an

"Schummeln kommt immer wieder mal vor", sagt Martina Tik vom Personalberater ISG. Auch sie legt Wert auf Differenzierung: "Wenn jemand bei der Erstellung des CVs wesentliche Daten fälscht, wie Ausbildung, Dauer des Anstellungsverhältnisses oder falsche Arbeitgeber anführt, hat er bei uns keine Chance mehr." Das werde in der Datenbank vermerkt. Natürlich, meint Tik zu derStandard.at, versuche jeder, sich in einem Bewerbungsgespräch so gut wie möglich darzustellen: "Wäre es anders, müssten wir an der Motivation des Kandidaten zweifeln." Hier ortet sie "Graubereiche", die ein erfahrener Personalberater zu gewichten weiß. Eine mögliche Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung könne zum Vorschein kommen. Eine "völlig falsche Selbsteinschätzung ist auch ein K.O.", berichtet Tik.

Gespräch auf Englisch

"Wir wollen Referenzen und Dienstzeugnisse von allen Arbeitgebern", skizziert Tik den ganz normalen Bewerbungsprozess. "Falls Kandidaten in der engeren Auswahl sind, rufen wir auch bei den ehemaligen Firmen an", so Tik, um an noch mehr Informationen zu kommen. Ob die realen Fremdsprachenkenntnisse tatsächlich mit jenen am Papier angegeben übereinstimmen, könne ganz leicht gecheckt werden. "Beim Vorstellungsgespräch wird zum Beispiel Englisch gesprochen", so Tik. Und wenn es sich um Sprachen handelt, die der Personalberater selbst nicht beherrscht? Man zieht Kollegen zu Rate, erläutert sie, oder: "Wir bitten die Kandidaten, dass sie uns den Lebenslauf auf Französisch oder Italienisch erzählen. So kommt man drauf."

87 Prozent sind ehrlich

Laut einer Umfrage ist das Tricksen im Lebenslauf, um potenzielle Arbeitgeber zu beeindrucken, kein Massenphänomen. Angeblich halten sich 87 Prozent der Österreicher rein an die Fakten, so das Ergebnis einer Befragung von „Monster". Zehn Prozent haben ihre Fremdsprachen- und PC-Kenntnisse absichtlich in ein besseres Licht gerückt und drei Prozent waren beim Erfinden eines Praktikums "kreativ". (om, derStandard.at, 19.11.2009)

Sie fragen – wir antworten

Was muss die Firma über mich wissen und was darf sie nicht? Ist Notlügen im Job erlaubt? Wie verhält man sich bei bei Bewerbungen und wie einigt man sich im Kündigungsfall? Wann steht eine Gehaltserhöhung an und wann ist der Zeitpunkt ungünstig? Schwierigkeiten im menschlichen Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten: Wie Konflikte lösen?

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