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Abends wird der Speisesaal zum Schlaflager: die provisorische "Gruft II" in der Lacknergasse

Foto: APA/Pfarrhofer

In den letzten Wochen sind die wohnungslosen UnionsbürgerInnen wieder ins Blickfeld geraten: Da ihnen die Obdachlosenheime versperrt sind, hatten sie sich im besetzten Audimax der Uni Wien einquartiert. Nun ist der Hörsaal geräumt - im Gegensatz zu den schneebedeckten Parks in Wien.

Eine Lösung musste her: In Form eines Speisesaals, der nachts mit Matten belegt wird, ist sie nun vorerst geschaffen. Im Caritas-Tageszentrum Lacknerstraße in Wien-Währing zog Montag abend das erste Dutzend Obdachlose aus dem Audimax ein. Mithilfe eines "Toleranzparagraphen" im Wiener Sozialhilfegesetz sei das möglich, erklärt Peter Hacker, Geschäftsführer des FSW - nicht ohne hinzuzufügen, dass die Milde des Paragrafen sich der Härte des Winters verdankt. "Wien kann nicht alle sozialen Probleme Europas lösen", erklärt Hacker. Soll heißen: Kommt Frühling, kommt neues Problem. An einer permanenten Lösung für den nächsten Winter werde gerade gebastelt.

Extra-Gruft für nächsten Winter

Und die hat zweierlei Gesicht. Denn einerseits ist die Lacknergasse nach Wunsch der Wiener Caritas nicht nur Sofortmaßnahme, sondern "eine provisorische zweite Gruft", wie Generalsekretär Alexander Bodmann betont. Räumlichkeiten für eine dauerhafte Fortführung dieser "EU-Gruft" werden gerade gesucht. Dort soll es dann ausnahmsweise möglich sein, wohnungslose EU-BürgerInnen einzuquartieren. 

Zur Heimreise bewegen

Andererseits ist die Stadt Wien bestrebt, Obdachlose zur Rückkehr zu bewegen: Wohnungslose sollen dort versorgt werden, wo sie herkommen. Da zum Versorgt-Werden aber immer zwei gehören, stehen zusätzliche Schritte an: Karitative Vereine vor Ort müssen überzeugt werden, in Wien Gestrandete aufzunehmen. Und vor allem gilt es jene, die auf der Straße leben, erst zur Abreise zu bewegen. Mittels Rückkehrhilfen solle das geschehen, sagt Bodmann - also Beratung, die in der Regel mit finanziellen Anreizen verbunden ist.  Denn eines habe die Erfahrung gelehrt, sagt Hacker: "Jemanden einfach in den Zug zu setzen, das spielt es nicht. So sponsert man höchstens den öffentlichen Verkehr".

Nie im Leben zurück

Geld annehmen fürs Heimfahren? "Nie im Leben", ist sich Gospar sicher. Seit acht Monaten lebt der Jazzmusiker in Wien - in der Hoffnung, hier zumindest ein wenig besser vom Musizieren leben zu können als zuhause im westrumänischen Oradea. Die ersten Wochen schlief er in der "Vinzirast", deren Alkoholiker-Klientel ihm bald zuviel wurde. Zwei Monate wohnte er bei der Freundin. Mit der Trennung begann das Leben auf der Straße und schließlich im Hörsaal.

Zu gut gekleidet

Letzte Nacht schlief Gospar erstmals am Boden des Lacknergassen-Zentrums. Er wirkt gut gelaunt, ist frisch geduscht und gekleidet - schlechte Voraussetzungen für einen Straßenmusiker, wie Gospar erzählt. "Ich mache höchstens sieben Euro am Tag. Andere, die irgendein Düdldü spielen, kriegen haufenweise Geld." Nicht auf Qualität kommt es an im Straßenmusikbusiness, sondern auf die passende Kleidung. "Wer dreckig ist, kriegt am meisten Geld", sagt Gospar in gepflegtem Englisch mit deutschen Einsprengseln.

"Sicher werde ich hin und wieder meine Familie besuchen. Aber in Rumänien will ich nie wieder leben." Seit der Wende liege vieles im Argen. "Die Macht liegt bei den selben Leuten wie im Kommunismus. Sie haben ein anderes Gesicht, aber korrupt sind sie so wie vorher." Für KünstlerInnen gebe es keine Unterstützung, und die Gagen seien lausig. Er werde es weiterhin hier versuchen.

Erste Nacht reibunglos

Von den 80 Audimax-Obdachlosen sind nur 15 in der Lacknergasse angekommen: "Menschen einen Zettel in die Hand zu drücken, ist wohl zu wenig", meint Bodmann in Anspielung an die Vorgangsweise der Uni Wien bei der Hörsaal-Räumung. Erich Grabner, Leiter des Tageszentrums, ist überzeugt, dass noch weitere kommen werden. Bis zu 40 Schlafplätze bietet der Speiseraum, die erste Nacht verlief reibungslos. "Um Mitternacht hab ich noch einmal reingeschaut", sagt Grabner. "Die haben geschlafen wie die Babys." (Maria Sterkl, derStandard.at, 22.12.2009)