Heutige Politik erscheint in vielem wie eine Wiederholung der römischen Politik im letzten Jahrhundert vor Christus. Robert Harris beschreibt sie in seinen Cicero-Romanen Imperium und Titan. Die Figuren damals und jetzt sind nicht vergleichbar, wohl aber die Wechselwirkung zwischen Öffentlichkeit und Regenten, die Manipulierbarkeit der Bevölkerung, die Dominanz der Unterhaltung, die Macht des Geldes auf Kosten der Schwächeren. Damals wie heute war das vernünftige Argumentieren auf die Zirkel des Denkens eingeschränkt und die Aufwallung der Gefühle ein Geschäft der Populisten und Demagogen.

Damals wie heute waren Langeweiler das Letzte. Trotzdem konnten sie einer von zwei der jährlich neu gewählten Konsuln werden - wenn sie einer der großen Familien angehörten oder den Strohmann für reiche Interessen spielten.

Der Bundeskanzler und der Vizekanzler unserer Republik wirken wie zwei solcher Konsuln, die die Geschichte vermutlich schnell wieder vergisst - sie höchstens vermerkt als Verwalter der Krise. Beide Langweiler, keine Alpha-Tiere. Sie schaffen nicht einmal jene "Politik der Gefühle" - die der Schriftsteller Josef Haslinger vor 22 Jahren zum Titel einer Aufsatzsammlung gemacht hat. Für die hat damals Jörg Haider gesorgt, eine Mischung aus Caesar und Catilina. Nicht nur deshalb, weil er in Kärnten mit seinen Geldgeschenken (auf Steuerkosten) Stimmenkauf nach römischer Art betrieben hat. Seine Stärke war die Siegesrhetorik nach den gewonnenen Wahlschlachten. Als sein Kärntner Erbe wurde am Samstag Uwe Scheuch gewählt, der jetzt vom Buben und Vasall zum neuen Feldherrn aufstieg. Ohne Siegesrhetorik, dafür aber mit jener berührenden Weinerlichkeit, die dem Kärntner Liedgut innewohnt, schnell jedoch in politische Aggression umschlägt.

Heinz-Christian Strache muss sich vorsehen. Wien hat er rechts außen allein. Aber Österreich? Da ist ihm Scheuch womöglich der härtere Gegner als Faymann und Pröll zusammen. Eine Hoffnung, Strache & Co. zu erschüttern, bieten nur noch die Kabarettisten. Der Donnerstag-Dorfer oder Wir sind Kaiser sind Sendungen, die manchmal weit in den Schatten stellen, was an politischer Kritik in Österreich so läuft. Franz Josef Palfrader zum Beispiel hat Straches Lachen zum Gefrieren gebracht, der jüngste Frust-Coup Alfons Haiders ("verschissene Republik" ) war ein exzellentes Beispiel der "Politik der Gefühle" eines Zornigen.

In diesem Wechselbad vermisst man die Grünen. Man bemerkt sie nicht einmal mehr. Wo ist (apropos Wiener Wahl) Maria Vassilakou eigentlich? Vermittelt Eva Glawischnig irgend ein untrügliches Zeichen für Emotionen? Die einzige Frontfigur scheint wieder einmal Peter Pilz zu sein, der eitle, aber unermüdliche Anwalt gegen Korruption und Fremdenfeindlichkeit. Die Grünen werden immer katholischer - mit einer gotischen Madonna und einer immer leiser werdenden Schar von Gläubigen.

So was wie Grüne hat es in der römischen Republik nicht gegeben. Sie scheinen auch in Österreich im Aussterben begriffen. Eine intellektuell anspruchsvolle Opposition würde das Land aber nicht nur publizistisch oder kabarettistisch brauchen. Die politische und geistige Lage ist ernst genug. (Gerfried Sperl/DER STANDARD-Printausgabe, 18. Jänner 2010)