Will Gebühren-Schlupfloch nicht schließen: Staatssekretär Josef Ostermayer (SP).

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STANDARD: Herr Staatssekretär, war Ihnen klar, dass Ihr Entwurf für das ORF-Gesetz "unsachlich und daher verfassungswidrig ist"? Verfassungsrechtler Heinz Mayer behauptet das von der Vorschrift, dass der ORF die 160 Gebührenmillionen verwenden muss, um "substanziell" zu sparen. Weil der ORF schon jetzt sparsam und zweckmäßig wirtschaften musste, könne das nur den Auftrag des ORF einschränken, meint Mayer.

Ostermayer: Dieser Entwurf ist von Verfassungsjuristen sorgfältig erarbeitet worden. Ich gehe davon aus, dass eine Verankerung von Geldzuwendungen unter bestimmten Zielen zulässig ist. Ich habe darauf gedrängt, dass die Überprüfung der Einhaltung dieser Ziele durch eine verfassungsrechtlich unabhängige Medienbehörde erfolgt.

STANDARD: Der Rechnungshof beschwert sich ebenfalls über die 160 Millionen - aber aus der entgegengesetzten Richtung: Er sieht nicht gewährleistet, dass das substanzielle Sparen ausreichend überprüft wird. Und er bemängelt am Entwurf, dass der ORF künftig "nicht mehr zwingend nach den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit" arbeiten müsse. Warum entfiel die Vorgabe denn?

Ostermayer: Ich sehe diese Vorgaben an mehreren Stellen des Entwurfes verankert und dass nicht nur wörtlich, sondern auch als strategischen Grundsatz.

STANDARD: Die beiden Stellungnahmen illustrieren gut die Reaktionen auf das ORF-Gesetz: Offenbar haben Sie's praktisch niemandem Recht gemacht, weder dem ORF noch den Privatsendern noch den Verlegern noch den ORF-Redakteuren noch der Industriellenvereinigung noch den Landeshauptleuten. Haben Sie die Reaktionen überrascht? 

Ostermayer: Nein, die Argumentationen folgten weitgehend bereits bekannten Positionen vieler beteiligter Organisationen und Interessensgruppen. Aber der Begutachtungsprozess ist wichtig, um über viele Elemente eines Gesetzes nochmals in Ruhe diskutieren zu können, deshalb wollte ich vom Anfang weg dafür auch ausreichend Zeit vorsehen.

STANDARD: Inwieweit werden Sie die Reaktionen berücksichtigen? 

Ostermayer: Wir sind in laufenden Gesprächen mit dem Koalitionspartner und prüfen jede Reaktion gewissenhaft. Natürlich werden am Ende auch diesmal nicht alle applaudieren, das ist das Wesen eines ausgewogenen Entwurfes.

STANDARD: Von ORF-Chef Alexander Wrabetz über die Redakteure und Betriebsräte bis hin zu Seniorenbund-Chef Andreas Khol warnen alle vor angeblich überbordender, womöglich sogar verfassungsrechtlich bedenklicher Kontrolle der Medienbehörde, wie der ORF seine Gebühren verwendet, ob er zuviel davon kassiert, und ob er den Auftrag erfüllt. Wie nehmen Sie den vereinten ORF-Verteidigern diese Sorgen?

Ostermayer: Die Überprüfung der europäischen Vorgaben, des öffentlich-rechtlichen Auftrages sowie die Kontrolle der Höhe der Programmentgelte sollen durch diese Medienbehörde vor allem im Sinne der Zuseherinnen und Zuseher und auch der anderen Rundfunkbetreiber erfolgen.

STANDARD: Der Zeitungsverband wiederum behauptet, Ihr Entwurf erlaube dem ORF über Schlupflöcher weit mehr, als die EU-Wettbewerbsbehörde in ihrem Kompromiss zum ORF vorsah. Werden Sie da noch nachschärfen?

Ostermayer: Der Entwurf wurde entlang der Richtlinien gestaltet, die wir mit der Europäischen Kommission verhandelt haben. Diese Einigung mit allen vereinbarten Auflagen wollen wir umsetzen.

STANDARD: Die Privatsender fordern im Gegenzug zu den 160 Millionen extra für den ORF 20 statt fünf Millionen Medienförderung für Private. Können Sie sich das vorstellen?

Ostermayer: Es ist mir im letzten Jahr gelungen, erstmals die Medienförderung für Privatsender und nichtkommerzielle Betreiber durchzusetzen. Aufgrund der budgetären Situation waren 6 Mio. Euro möglich. Es freut mich, wenn der Koalitionspartner jetzt bereit ist, eine Erhöhung mitzutragen.

STANDARD: Die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich fordern vereint und mit dem ORF, Sie mögen "Bundesland heute" doch bezahlte Werbung für regionale Initiativen von Brauchtum bis Sport erlauben. Sehen Sie da noch Spielraum?

Ostermayer: Der regionale Bereich spielt für mich im ORF eine große Rolle, der regionale Bezug ist für viele Zuseherinnen entscheidend und geht mit dem Kulturauftrag des ORF einher. Wir diskutieren diese Möglichkeit deshalb vor diesem Hintergrund.

STANDARD: Der ORF und die GIS warnen vor einem anderen Schlupfloch: Bis zu 25 Millionen Euro an Gebühren drohten dem ORF zu entgehen, weil der Verwaltungsgerichtshof entschied: Wer ORF mangels Decoderkarte nicht empfangen kann, braucht auch kein Programmentgelt zu zahlen. Was halten Sie vom Vorschlag des ORF: Sobald der ORF ein Gebiet analog oder digital terrestrisch versorgt, sollen die Menschen dort Programmentgelt zahlen müssen - ob sie empfangen oder nicht?

Ostermayer: Ich habe mich bereits in der Vergangenheit gegen ein Steuermodell ausgesprochen, dass unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit eine Zahlung vorsieht. 

STANDARD: Warum sieht der Entwurf für das ORF-Gesetz eigentlich eine Frauenquote von 45 Prozent vor, nimmt aber die Gremien und die Geschäftsführung davon aus? Frauenquote nur für die da unten?

Ostermayer: Ich unterstütze die Frauenministerin Heinisch-Hosek in ihrem Bemühen, den Frauenanteil auch im ORF zu stärken und Frauen bessere Chancen und mehr Sichtbarkeit zu ermöglichen. Deshalb haben wir die Quote im Gesetz verankert. Da jedoch die Gremien von unterschiedlichen Stellen beschickt werden und teilweise nur eine Person entsandt wird, ist es dort aus praktischen Gründen nicht möglich eine verbindliche Quote zu vereinbaren.

STANDARD: Was halten Sie von den Forderungen, einen fixen Seniorenvertreter auch im Stiftungsrat vorzusehen? 

Ostermayer: Ich glaube, dass Quoten dazu da sind, Impulse zu verstärken und schwächeren Gruppen eine Stimme zu geben, die Seniorinnen und Senioren haben in unserem Land eine starke Stimme.

STANDARD: Haben Sie schon mit der Opposition Kontakt aufgenommen, die sie ja bräuchten, um die Medienbehörde weisungsfrei zu stellen?

Ostermayer: Nachdem die Regierungsvorlage mit dem Koalitionspartner abgestimmt ist, werde ich Gespräche mit allen Oppositionsparteien führen, damit die unabhängige Medienbehörde im Parlament eine Chance bekommt. Es wäre schade, wenn es nicht gelingt.

STANDARD: Der Rechnungshof vermisst die von ihm geratene Verkleinerung des ORF-Stiftungsrats auf ein "arbeitsfähiges Gremium". Wenn die Opposition sich der Medienbehörde verweigert, könnten Sie ja zumindest die Oppositionsvertreter dort einsparen, oder?

Ostermayer: Wir konnten uns auf eine Verkleinerung des Stiftungsrates nicht einigen, aber es ist nicht mein Zugang, der Opposition etwas heimzuzahlen, wenn bei einem Vorhaben nicht mitgestimmt wurde.

STANDARD: Haben Sie Ihren Stimmzettel für die Publikumsratswahl schon ausgefüllt? Oder verwenden Sie das "Ersatz-Wahlformular", das die SPÖ schon fixfertig mit roten Kandidaten ausgefüllt verschickt hat? Nicht, dass Sie es irrtümlich mit den ausgefüllten Formularen von schwarzen Organisationen verwechseln.

Ostermayer: Ich glaube, dass jeder Wähler mündig genug ist, hier selbst zu entscheiden und es gehört dazu, dass Parteien bemüht sind, ihre Anhänger zu mobilisieren.

STANDARD: Sind von Parteien und Parteiorganisationen vorausgefüllte Wahlformulare und Wahlwerbung unter dem ORF-Logo jenes "Demokratieelement" auf das Sie nicht verzichten wollten, als Sie mit Blick auf deutlichere SPÖ-Mehrheiten im ORF auf die Faxwahl von sechs (aus 35) Publikumsräten bestanden haben?

Ostermayer: Dass vor einer Wahl Werbung gemacht wird und wie diese im Rahmen der Gesetze gemacht wird, liegt im Ermessen der wahlwerbenden Parteien, die in Wahlkämpfen typischen Plakatständer haben auch nicht nur Freunde.

STANDARD: Welche Eigenschaften sollen aus Ihrer Sicht die fünf Mitglieder der Medienbehörde KommAustria haben?

Ostermayer: echtsverständnis und Interesse am Medienbereich und seiner Entwicklung, aber auch eine klare Haltung zum Rechtsstaat und den diesem zugrunde liegenden Prinzipien sind aus meiner Sicht wichtig.

STNADARD: Fallen Ihnen dafür geeignete Kandidaten ein?

Ostermayer: Ich bin mir sicher, dass die Ausschreibung vor dem Sommer dieses Jahres geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aufzeigen wird. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 21.1.2010/Langfassung)