Bild nicht mehr verfügbar.

Die durch die schwarz-blaue Regierung eingetretene "Wende" war der Anlass für die bilateralen Maßnahmen der EU-14.

Foto: Reuters/Bader

Dieter Böhmdorfer wurde Ende Februar 2000 als Justizminister angelobt. Sein Vorgänger Michael Krüger hatte nach 25 Tagen im Amt seinen Rücktritt erklärt.

Foto: Standard/Cremer

Jochen Frowein war einer der drei EU-Weisen: "Es waren Probleme bei einigen der Amtsträger aufgetreten, die man erörtern musste."

Foto: Standard/Corn

Die Miene des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil war bekannterweise eisern, als er am 4. Februar 2000 die schwarz-blaue Regierung angelobte. Wolfgang Schüssel wurde Bundeskanzler, Susanne Riess-Passer Vizekanzlerin und Europa war in Aufruhr. Die EU-14 beschlossen bilaterale Maßnahmen gegen Österreich: über sieben Monate hinweg herrschte Eiszeit. Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und den restlichen 14 EU-Ländern wurden eingestellt. Botschafter sollten nur mehr auf "technischer Ebene" empfangen werden.

"Das war eine echte Challenge", erinnert sich der damalige ÖVP-Landwirtschaftsminister und spätere Vizekanzler Wilhelm Molterer. "Von einem Tag auf den anderen ist die Beziehung zu den anderen Ministern auf einem echten Prüfstand gestanden. Es waren ja lauter gute Bekannte, die man getroffen hat. Aber es war eine künstliche Ablehnung spürbar", sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

"Hetze gegen Österreich"

Auslöser der Sanktionen war die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Unter der Führung Jörg Haiders hatte es die Partei bei den Wahlen 1999 hinter der SPÖ an die zweite Stelle geschafft. Der Weg für die Regierungsbeteiligung war geebnet. Die ÖVP, bei der Wahl nur als drittstärkste Partei hervorgegangen, tat sich mit den Blauen zusammen.

Nicht nur Jörg Haider, auch der damalige Justizminister Dieter Böhmdorfer wurde von der EU kritisiert. Haider hatte im Rahmen einer Pressekonferenz einen Vorschlag geäußert, der darauf hinauslief, dass Volksvertreter, welche sich regierungskritisch äußern, einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt werden könnten. Böhmdorfer soll die Idee als "sicherlich verfolgenswert" bezeichnet haben. Letzterer findet auch heute noch, dass die Maßnahmen der EU ungerechtfertigt waren, wie er im Gespräch mit derStandard.at sagt: "Ganz Europa wurde gegen Österreich aufgehetzt." (siehe Interview)

Abschreckendes Signal

Der Politologe Anton Pelinka bezeichnet die damalige Drohung mit Sanktionen als "Signal", das die EU-Länder setzten wollten: "Man wollte im Vorfeld verhindern, dass die FPÖ in die Regierung kommt." Und nach der Angelobung der schwarz-blauen Regierung konnte man schlicht nicht mehr zurück. Dass über die Maßnahmen heute unter dem Schlagwort Sanktionen diskutiert wird, bezeichnet er als den "ersten großen Erfolg der Regierung Schüssel". Die Regierung habe versucht, das ganze Land auf ihre Seite zu ziehen und das sei gelungen. Das Wort Sanktion wurde zum "Kampfbegriff" und die negative Einstellung zur EU sei zum Teil auch heute noch in den Köpfen der Österreicher verankert.

Weisenbericht als "Exit-Strategie"

Anfang Mai 2000 trat Jörg Haider als Parteichef der FPÖ zurück und ließ Susanne Riess-Passer nun auch als Parteichefin "vorangehen". Doch die Sanktionen wurden deshalb nicht für beendet erklärt. Erst im Frühsommer begann die Front der EU-14 zu bröckeln. Man überlegte sich ein Ausstiegsszenario und bat die drei sogenannten Weisen einen Bericht zu verfassen.

Der deutsche Völkerrechtler Jochen Frowein war einer der Weisen. "Die 14 EU-Länder außer Österreich hatten sich in eine außerordentlich schwierige Situation gebracht und suchten nun einen Ausweg", erinnert er sich im Gespräch mit derStandard.at, "da hielt ich es für meine Pflicht, zu helfen." Der Weisenbericht war die Exit-Strategie, um von den Sanktionen langsam Abstand zu nehmen.

Die drei Weisen - neben Frowein wurden der Finne Martti Ahtisaari und der Spanier Marcelino Oreja ernannt - verfassten einen Bericht, in dem sie die politische Lage in Österreich beurteilten. Unter die Lupe genommen wurde die FPÖ. "Es waren Probleme bei einigen der Amtsträger aufgetreten, die man erörtern musste", so Frowein. "Es gab bestimmte Äußerungen des damaligen Justizministers, die ernsthaft problematisch waren, wenn man die Standards, die an eine demokratische Regierung zu stellen sind, anwendet."

FPÖ mit radikalen Elementen

Das Resümee der Weisen war dann aber vergleichsweise harmlos: Es wurde befunden, dass die österreichische Regierung für die europäischen Werte eintritt und dass die Rechtslage der anderer EU-Staaten entspricht. Die FPÖ wurde als rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen charakterisiert, jedoch hätten die FPÖ-Minister seit Antritt ihrer Regierungstätigkeit die Verpflichtungen der Regierung beachtet. Der Bericht wurde im September 2000 dem damalige EU-Ratspräsidenten und französischen Staatschef Jaques Chirac in Paris übergeben. Das Ende der Sanktionen war damit besiegelt.

Keine rechtliche Basis

Immer wieder wurde diskutiert, ob die Sanktionen überhaupt rechtmäßig waren. Dazu sagt Frowein: "Ich mache keinen Hehl daraus und habe das immer wieder auch gesagt, dass die Verhängung dieser sogenannten Maßnahmen europarechtlich rechtswidrig war." Das Problem war, dass es keine rechtliche Basis für die Sanktionen gab. Inzwischen gibt es im EU-Vertrag von Lissabon aber eine mehrstufige Regelung, die unrechtmäßige Sanktionen verhindern soll.

Unheterogene EU

Der Politologe Anton Pelinka glaubt jedoch ohnehin, dass es Sanktionen in der Form nicht mehr geben wird. Die EU ist nicht mehr so einheitlich wie sie vor zehn Jahren war. In der Zwischenzeit gibt es 27 Mitgliedsstaaten und da würde es schwer fallen, sich in innenpolitische Debatten jedes Mitgliedstaates einzuschalten, so Pelinka.

Dass in anderen EU-Ländern, etwa Italien, EU-Sanktionen ausblieben, als rechte Parteien an die Macht kamen, hält der Politologe im Übrigen nicht für außergewöhnlich oder gar unfair: "Der Unterschied ist auch der, dass die FPÖ ihre Verwurzelung im Nationalsozialismus hat." Und das sei beispielsweise bei den italienischen Rechtsparteien nicht der Fall. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 21.1.2010)