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Eine undatierte Aufnahme von Nusret Imamovic, verhafteter geistlicher Dorfvorsteher von Gornja Maoca, dem gute Beziehungen nach Wien nachgesagt werden.

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In der Nacht auf vergangenen Dienstag wurden in Bosnien und Herzegowina bei einer Großrazzia mehrere Mitglieder einer Gruppe ultrakonservativer Muslime festgenommen (derStandard.at berichtete). Laut der bosnischen Justizbehörde sind die sieben festgenommenen Wahhabiten mit einer langen Liste an Vorwürfen konfrontiert: Illegaler Waffenbesitz, Gefährdung der Gebietseinheit Bosnien-Herzegowinas, Angriff auf die Verfassungsordnung und der Provokation von ethnischem und religiösem Hass. Die Untersuchungshaft wurde auf die Dauer von einem Monat verhängt, zehn oder mehr Jahre Gefängnis drohen. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten wurden offenbar bisher nicht gefunden.

Das Dorf Gornja Maoca, in dem die Festnahmen stattfanden, glich schon seit Jahren einer Festung: Eine örtliche Polizeistreife wurde vor kurzem daran gehindert, in die Kommune zu fahren, Journalisten wagten sich nicht hinein. Einzig der serbische Sender B92 brachte eine Reportage: Man traf auf unfreundliche bewaffnete Männer mit langen Bärten in Uniform. Geltende Rechtsordnung war die Scharia, zum Dorfvorsteher Nusret Imamovic, der nun verhaftet wurde, gelangte man nicht. Mitten in der ultrakonservativen Gemeinde fand man aber ein Auto mit Wiener Kennzeichen.

Wiener Connection

Zwischen Wien und Gornja Maoca gibt es schon lange einen sehr regen Austausch. Der bosnische Staatsbürger Imamovic, der Berichten zufolge auch aus Wien stammen soll und öfter zwischen Österreich und Bosnien pendelte, gilt als enger Vertrauter von Muhamed P.. Der Imam einer bosnischen Moschee in Wien-Meidling soll auch als Geldgeber für Wahhabiten wie jene in Gornja Maoca fungieren, wie das International Relations and Security Network der ETH Zürich berichtet. In seiner Moschee war nicht nur Imamovic, sondern laut der Wiener Stadtzeitung "Der Falter" auch ein gewisser Asim C. öfter zu Gast. Dieser wollte am 1. Oktober 2007 die US-Botschaft in Wien mit zwei Handgranaten betreten, wurde jedoch als verwirrt erklärt, und das FBI schloss einen terroristischen Hintergrund aus. P. soll in Saudi-Arabien zum Prediger ausgebildet worden sein, Imamovic hatte über eine Website Selbstmord-Attentate in außergewöhnlichen Situationen für gerechtfertigt erklärt.

Laut bosnischen Medien steht P. dem "Hohen Saudischen Komitee" mit Sitz in Wien nahe. Dass sich die umstrittene Gruppe Ende der 90er-Jahre in dem Dorf niederlassen konnte, wurde nach Angaben bosnischer Medien von Wien aus finanziert und organisiert. Aus der österreichischen Hauptstadt kamen somit auch die ersten Einwohner der Gemeinde. Die Mehrheit der rund 30 Familien und die zahlreichen Besucher, die nach Gornja Maoca kommen, stammen auch heute nicht aus Bosnien-Herzegowina, sondern aus exjugoslawischen Staaten sowie aus Westeuropa.

Im Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2007 heißt es unter dem Punkt "Extremismus und Terrorismus": "Innerhalb der in Österreich ansässigen bosnischen Diaspora konnten Gruppierungen festgestellt werden, die einer neo-fundamentalistischen Interpretation des Wahhabismus anhängen." Die Entstehungsgeschichte gehe auf den Friedensvertrag von Dayton (1995) zurück, als diese Gruppierung von ehemaligen Kämpfern der bosnischen Mujaheddin Brigaden aus der Taufe gehoben wurde. Das deklarierte Ziel sei die Errichtung eines islamischen Staates. Die Rekrutierung erfolge primär in der Zielgruppe junger Muslime zweiter Generation, die im Westen aufgewachsen sind. Wesentliches Charakteristikum sei die Vernetzung mit Diasporen in ganz Europa. Als Zentren der islamisch-fundamentalistischen Aktivitäten wurden Wien und Oberösterreich genannt.

2008 heißt es im Verfassungsschutzbericht: "So wie in anderen europäischen Staaten auch sind in Österreich vereinzelt Konvertiten in extremistischen Kreisen auffällig geworden. Hervorzuheben ist vor allem das besonders ausgeprägte persönliche Engagement und die Bereitschaft, sich intensiv dem Islam – und im Falle radikalisierter Konvertiten der salafitischen Auslegung (Anm.: Strömung, die nur Quellen aus der Frühzeit des Islam anerkennt) zu widmen." Zur Situation in Österreich ist vermerkt: "Im Berichtszeitraum wurden Personen und Personengruppen von Muslimen der zweiten Einwanderergeneration – sowie vereinzelt Konvertiten – festgestellt, welche weit gehend unter Einfluss der Ideologie der Al Qaida stehen."

Wien als Zentrum?

Der serbische Arbeits- und Sozialminister Rasim Ljajić sprach nach der Großrazzia in Bosnien gegenüber B92 von Wien als "Zentrum der Wahhabiten". Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums in Wien, sieht das im Gespräch mit derStandard.at jedoch nicht so: "Nach unserem Erkenntnisstand ist Wien nicht die Hauptstadt der Wahhabiten, sondern es gibt in mehreren europäischen Städten bosnische Communities mit religiösem Hintergrund". Weder gegen Muhamed P. noch gegen ein anderes Mitglied der Wahhabiten liege in Österreich etwas strafrechtlich Relevantes vor.

Österreichs Behörden arbeiten jedenfalls mit ihren bosnischen Kollegen zusammen. Beim Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) ist man überzeugt, dass man die Szene radikalislamischer Prediger relativ gut unter Kontrolle habe - auch weil gerade Bosnier der Polizei mitunter Tipps geben würden, wenn ihnen etwas auffällt.

Politischer Erfolg

Die Großrazzia wurde in Bosnien und Herzegowina als großer Erfolg gefeiert. Sicherheitsminister Adik Ahmetović kommentierte die Aktion mit den Worten: "Allen, die die Verfassung und Gesetze Bosnien-Herzegowinas missachten, muss klar sein, dass der Rechtsstaat hier funktioniert und dass man sich allen Personen und Gruppen, die die Regeln dieses Landes brechen, entgegenstellen muss."

Stefan Feller, Leiter der EU-Polizeimission in Bosnien und Herzegowina lobt gegenüber derStandard.at die "exzellente Zusammenarbeit" der lokalen Behörden: "Polizei und Justiz sind fähig und willig sich komplexen Herausforderungen zu stellen und sie tragen somit aktiv zur Sicherheit nicht nur in Bosnien und Herzegowina, sondern auch in ganz Europa bei." Ebenso euphorisch zeigte sich der EU-Sonderbeauftrage für Bosnien, Valentin Inzko, in einer Aussendung. Politisch kommt dem Balkan-Staat eine solche Erfolgsmeldung gerade Recht, denn nun ist man der EU-Visaliberalisierung vermutlich einen Schritt näher gerückt. Österreichs Innenministerin Maria Fekter hatte Ende Jänner 2010 bei der Unterzeichnung eines Abkommens mit Bosnien und Herzegowina darauf hingewiesen, dass hohe Sicherheitsstandards für die Erreichung der Visaliberalisierung gewährleistet sein müssten. (Rainer Schüller, bed/derStandard.at, 7.2.2010; Damir Imamovic aus Sarajewo, DER STANDARD, Printausgabe, 8.2.2010)