Wien - Die österreichische Wissenschaftstheoretikerin Helga Nowotny (72) ist am Donnerstag einstimmig zur neuen Präsidentin des European Research Council (ERC; Europäischer Forschungsrat) sowie zur Vorsitzenden des wissenschaftlichen ERC-Beirats gewählt worden. Über den ERC fördert die EU im 7. Forschungsrahmenprogramm erstmals Grundlagenforschung, von 2007 bis 2013 stehen dafür insgesamt 7,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Nowotny, die derzeit Vizepräsidentin des Gremiums und Vize-Vorsitzende des Beirats ist, tritt ihr neues Amt am 1. März an, gab der Forschungsrat am Freitag in einer Aussendung bekannt.

Der ERC

Der ERC richtet sich mit seinen Förderlinien einerseits an Nachwuchswissenschafter (Starting Independent Researcher Grant) und andererseits an bereits etablierte Forscher (Advanced Investigator Grant). Die "Advanced Grants" stellen dabei das "Flaggschiff-Programm" des ERC dar, mit dem anspruchsvolle und risikoreiche fünfjährige Forschungsprojekte mit jeweils maximal 3,5 Mio. Euro gefördert werden. In der vergangenen Ausschreibungsrunde haben sieben österreichische Forscher einen ERC-Grant zugesprochen bekommen.

Biografie

Nowotny wurde am 9. August 1937 in Wien geboren und absolvierte zunächst ein Jus-Studium an der Uni Wien, wo sie anschließend auch als Assistentin am Institut für Kriminologie tätig war. Als sie in New York den aus Österreich vertriebenen Soziologen Paul Lazarsfeld traf, beschloss sie spontan, bei ihm an der Columbia University ein Ph.D.-Studium in Soziologie zu absolvieren, das sie 1969 abschloss. Einer ihrer Lehrer, Robert K. Merton, brachte sie dazu, die Forschung zu ihrem Forschungsgegenstand zu machen und sich den Bereichen Wissenschaftsforschung und -theorie zuzuwenden.

Zurück in Wien, arbeitete Nowotny am Institut für Höhere Studien (IHS), wo sie von 1970 bis 1972 die Soziologie-Abteilung leitete. Nach einem Gastaufenthalt am King's College in Cambridge (Großbritannien) wurde sie 1974 Gründungsdirektorin des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien. An den österreichischen Unis hatte sie zunächst mit Problemen zu kämpfen: Zuerst musste sie sich mangels Unterstützung in Österreich an der Universität Bielefeld habilitieren (1980), was allerdings nicht anerkannt wurde - 1982 erfolgte daher eine zweite Habilitation in Wien.

Ruf an die ETH Zürich

1987 avancierte Nowotny zur Ordinaria für Wissenschaftstheorie und -forschung am neu gegründeten gleichnamigen Institut an der Uni Wien, 1996 folgte ein Ruf als Professorin für Wissenschaftsphilosophie und -forschung an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich. Diesen Lehrstuhl hatte die Soziologin bis zu ihrer Emeritierung 2002 inne. Von 2001 bis 2005 war Nowotny Vorsitzende des European Research Advisory Board (EURAB), dem höchsten Beratungsgremium der EU-Kommission in Sachen Forschung, seit Ende 2005 ERC-Vizepräsidentin.

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl begrüßte die Wahl Nowotnys in einer Aussendung. Mit Nowotny sei eine "erfahrene, erfolgreiche und engagierte Wissenschafterin" gewählt worden, die bereits als Vizepräsidentin die Arbeit des ERC entscheidend mitgestaltet habe. (APA/red)