Der Balkan beginnt nicht am Rennweg, sondern im Bermudadreieck zwischen Parlament, Kanzleramt und Finanzministerium. Wochenlang wurde in Wien wie auf dem Basar gefeilscht, am Dienstag beschlossen nun SPÖ und ÖVP im Ministerrat das neue ORF-Gesetz. Und so kam heraus, was von Anfang an klar war: Tausche 160 Millionen Euro gegen Kontrolle und Personal.

Die ÖVP erhielt mit Richard Grasl einen kaufmännischen Direktor, der noch die Agenden des Technikchefs bekommen könnte. Die Bestellung Grasls, bisher Chefredakteur im Landesstudio des von Erwin Pröll regierten Niederösterreich, war der ÖVP die Aufgabe der Blockade von immerhin 160 Millionen Euro aus der Gebührenrefundierung wert.

Die SPÖ als schlechte Wahlverliererin

Die SPÖ zeigte sich in diesen Tagen als schlechte Wahlverliererin. Obwohl sie klar die ORF-Publikumswahl verloren hat und nur einen von sechs Räten gewann, sorgte Bundeskanzler Werner Faymann, wie einst Wolfgang Schüssel, mit Nominierungen für eine SP-Mehrheit im Stiftungsrat. Es durften nur sechs von 36 Publikumsräten direkt gewählt werden.

Die Wahl zum Publikumsrat war übrigens jene, die viele Gebührenzahler dazu bewogen haben dürfte nachzuschauen, ob noch irgendwo ein Faxgerät herumsteht. Dafür wurde die Abstimmung umso leichter gemacht: So hatte die SPÖ praktischerweise die Kästchen für die roten Kandidaten schon angekreuzt. Gewonnen haben trotzdem die Schwarzen. Das Kräfteverhältnis in den Gremien ist deshalb wichtig, weil dort der künftige ORF-General gewählt wird, plangemäß 2011.

Dass bei dieser Abstimmung, die 1,4 Millionen kostete, dann Prominente wie Kathrin Zettel (für die ÖVP) oder Peter Pacult (für die SPÖ) zur Auswahl standen, zeigt einmal mehr: Es ging um parteigenehme Personen in dem Gremium, nicht um Medienkompetenz.

Parteien am Geldhebel des ORF

Neben dem Publikums- und Stiftungsrat soll noch eine Medienbehörde über den ORF wachen, über die die Parteien zusätzlich Einfluss nehmen können - auch auf die Finanzgebarung. Die neue Medienbehörde wird praktischerweise von der Regierung besetzt (mit Juristen), noch hat der Kanzler sogar das Weisungsrecht. Damit sitzen die Parteien direkt am Geldhebel für den Sender.

Der ORF pumpt derzeit Millionen nicht in seine Kernkompetenz Information, sondern in eine Boulevardsendung, die gegen die ZiB 1 ins Rennen geschickt wurde. Das ist der Geschäftsführung vorzuwerfen.

Alpines RTL

Dass der von der SPÖ nur halbherzig weiterbestellte ORF-General Alexander Wrabetz es vorzog, bei der Journalist-Journalistenehrung eine Laudatio auf Society-Reporter Dominic Heinzl zu halten und nicht auf die ORF-Korrespondenten, ist ein Hinweis auf seine wirklichen Prioritäten. Dass er den Saal mit einem Schimpfwort verließ, als er von einem Privat-TV-Kollegen darauf angesprochen wurde, zeigt sein Niveau. Seit er mangels wechselwilliger Alternativen und mit Zugeständnissen an die Politik wie der Grasl-Bestellung seinen Job gesichert hat, will Wrabetz nun mit einem alpinen RTL die Quoten retten.

Der Rechnungshof monierte in seiner Stellungnahme zum ORF-Gesetz, es fehle eine Verpflichtung für den Generaldirektor, ein verbindliches strategisches Gesamtkonzept für den ORF zu erstellen. Wozu auch? Um die Qualität des ORF ist es auch den Parteien nicht gegangen, sondern um den Machterhalt.
(Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD; Printausgabe, 24.2.2010)