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Seine Räume, seine Schützlinge: Rudolf Leopold anlässlich der Eröffnung des Leopold Museums im Jahre 2001.

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Wien - Der Professor sitzt im Garten, hat das Mädchen im Arm und streichelt es. Dies glaubte ein Kunsthändler im Juni 1998, wenige Tage nach dem für Rudolf Leopold nervenaufreibenden Erwerb des Schiele-Gemäldes, zu beobachten: Das war weder die erste, noch die letzte Missdeutung im Leben des leidenschaftlichsten Sammlers Österreichs, der heute, Montag, seinen 85. Geburtstag feiert: Leopold hatte seinen neuen Schützling vom Oberflächenschmutz und vergilbten Firnis befreit.

Mitte der 1950er-Jahre, als der soeben promovierte Mediziner Kunst zu sammeln begann, erlernte er auch das Restaurieren. Des obsessiven Hangs zur Perfektion wegen. Sein Farbgefühl, so die Erklärung, sei eben ein ausgeprägtes und schlechte Retuschen entbehrlich. Mit der Wahrnehmung ist das so eine Sache. Die einen sehen in Schieles gleichnamigem Gemälde den Sonnenuntergang, der Medizinstudent Leopold eine versinkende Sonne. Die feine Differenz erschließt sich entsprechend Leopolds Theorie nicht über Intellekt und Wissen, sondern nur aus einer starken Neigung zum intensiven Betrachten heraus.

Schönheiten, die der Natur, der Musik und der Kunst, sie würden ihn befallen, beschrieb Sohn Diethard in der 2003 erschienenen Biografie (Verlag Holzhausen). Mühelos könne sein Vater die jeweilige Wahrheit sehen, die anderen verborgen bliebe. Den heftig trainierenden Antitalenten etwa, wie Leopold Kunsthistoriker bisweilen zu bezeichnen pflegt.

Diese seine Gabe schulte er mit Farb- und Formwahrnehmungen von kleinauf. Ob bei Spaziergängen oder Zugfahrten, ob an vorüberziehenden Landschaften oder im Hof des ehemaligen Weinbauernhauses in Grinzing, umgeben von Bildern, an denen er sich erfreut, mit denen er sich plagt. Sein Talent, sein treffsicheres Gespür sind anerkannt. Zeitgleich erschwert es ihm aber Verständnis für jene zu entwickeln, die darüber nicht verfügen.

Er ist heiß oder kalt, aber nie lau, charakterisierte ihn Otto Breicha. Und er ist alles, was er ist, hundertprozentig. Unerbittlich in seiner Haltung, wenn es etwa um das Thema Restitution geht: Keines der 23 Werke, deren Dossiers nunmehr von einer Kommission geprüft werden, will er zurückgeben. Er will dafür bezahlen, besteht auf einen Vergleich in angemessener Höhe. Die novellierte Gesetzgebung bewahrt ihn (noch) vor nennenswerten Abgängen.

Eine sachliche Haltung wäre angebracht, sie entspricht aber nun mal nicht seinem Naturell. Rudolf Leopold ist emotional. Völlig unangemessen vergreift er sich dann auch im Ton, beschimpfte etwa Erhard Busek in aller Öffentlichkeit, weil die Beleuchtung für die Eremiten, über die er eine Rede zu halten hatte, einer Katastrophe glich. Im Vergleich zu ihm sei eine Filzlaus ein flüchtiges Reh, charakterisierte Erich Lederer die für Leopold typische Verbissenheit.

Manisch seine Leidenschaft, die auch nach dem Verkauf der Sammlung an den Staat für 2,2 Milliarden Schilling und die Überführung in eine Stiftung 1994 anhielt: Schon als das Museum 2001 öffnete, drängten daheim in Grinzing die Bilderstapel, Blättermappen, Möbel und Skulpturen wieder in die frei gewordenen Zimmer. Fernab der Öffentlichkeit gedeiht hier längst die Sammlung Leopold II. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/Printausgabe, 01.03.2010)