Bild nicht mehr verfügbar.

Die degenerative Krankheit "Chorea Huntington" isoliert Patienten

Foto: APA/Peter Kneffel

Salzburg - "Chorea Huntington", im Volksmund auch "Veitstanz" genannt, heißt eine der schlimmsten, erblich bedingten Hirnstörungen. Nervenzellen sterben ab, was anfangs zu Ängstlichkeit und erhöhter Reizbarkeit und dann zu unwillkürlichen Bewegungen ("Chorea") führt. In Europa leiden ungefähr acht von 100.000 Menschen an dem Gen-Defekt. Viele Betroffene ziehen sich in die Isolation zurück. In Salzburg bemüht sich eine Selbsthilfegruppe um Akzeptanz und Aufklärung, seit September 2009 bietet eine "Huntington"-Ambulanz in der Christian-Doppler-Klinik (CDK) medizinische und psychologische Hilfe an.

Erste Anzeichen

Vor sieben Jahren wurde es für Evelyn Gantschnigg-Pinzger (38) traurige Gewissheit: Ein Gentest ergab, dass ihr Vater die degenerative Krankheit, die meist um das 35. bis 40. Lebensjahr ausbricht, an sie weitervererbt hat. Erste Symptome zeichneten sich bereits ab. Zuerst in Form von einer ausgeprägten Aggressivität, dann von Gleichgewichtsstörungen. Laut Statistik hat sie noch 15 bis 20 Jahre nach Ausbruch der Krankheit zu leben. Der amerikanische Arzt George Huntington war 1872 übrigens einer der Ersten, der diese Hirnerkrankung präzise dokumentiert hat.

Die Gewissheit, dass die Denkfähigkeit schleichend abnimmt und sie einmal vollends die Kontrolle über ihre Muskeln verlieren wird, lässt Gantschnigg-Pinzger nicht völlig verzweifeln. Mit der fürsorglichen Unterstützung ihres Mannes - er gründete vor drei Jahren die "Huntington Hilfe Salzburg" (HHS) - und mit ärztlicher Hilfe gelingt ihr ein harmonisches Leben. "Anfangs war es ein Schock für sie wie auch für mich", schilderte Bernhard Gantschnigg aus Unterach am Attersee (OÖ).

"Das Wichtigste aber ist, dass der Partner das Gefühl hat, er kann sich in jeder Situation auf dich verlassen. Ich übernehme immer mehr Tätigkeiten zu Hause. Wir achten auf eine gesunde Ernährung, auch das trägt, neben einer liebevollen Zuwendung, viel zu einer guten Lebensqualität bei", erzählte Bernhard Gantschnigg. Soweit möglich bewahrt sie sich ihre Selbstständigkeit.

Doch bei weitem nicht alle kämen so gut mit der Krankheit zurecht, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent weitervererbt wird. Als Obmann der Selbsthilfegruppe kennt er 30 Patienten im Salzburger Raum beim Namen. Die Dunkelziffer ist hoch. Gantschnigg rechnet mit 90 bis 100, die in Salzburg erkrankt oder von dieser Genveränderung am Chromosom vier betroffen sind. "Einige versuchen die Krankheit durch Verdrängung zu konterkarieren."

Forschungsbedarf

Im Oberpinzgau und auch im Bezirk Tamsweg trete "Chorea Huntington" verstärkt auf. Gezielte Aufklärung, Zuspruch und Rat gibt der Obmann auch am Telefon. Denn Teilerfolge in der Forschung gibt es bereits, wie Assistenzarzt Stefan Lilek von der CDK weiß. Ein spezielles Medikament konnte die Krankheit bei Ratten bereits aufhalten. "In zehn bis 15 Jahren könnte es für Menschen eine Therapie geben." Die Frage stelle sich noch, wie bringt man den Wirkstoff ins menschliche Gehirn, damit das zu große Eiweiß, das sich in der Zelle angelagert hat und sie zerstört, schneller abgebaut wird.

Jeden zweiten Mittwoch im Monat sind Lilek oder der "Chorea"-Experte, der Wiener Psychiater und Neurologe Dozent Raphael Bonelli, in der Salzburger "Huntington"-Ambulanz nach Voranmeldung erreichbar. Gantschnigg hofft, dass in den nächsten fünf Jahren das geplante Pflegeheim für neurologische Erkrankungen in der Doppler-Klinik mit einer "Huntington"-Station für sechs Patienten verwirklicht wird. Zugleich setzt er sich für jeweils eine Tagesbetreuungsstätte im Oberpinzgau und Lungau ein.  (APA)