Frau Bock und ihre Schützlinge: Salman (12), Aischat (7) und Ali (11) stammen aus Tschetschenien und wohnen seit einem halben Jahr bei "Babuschka", bei Omi.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Die Flüchtlingshelferin Ute Bock wohnt mit ihren Schützlingsfamilien unter einem Dach. Der Privatbereich, erfuhr Wojciech Czaja, ist ein Zimmerchen im zweiten Stock.

Früher hab ich im 10. Bezirk gewohnt. Aber das war mir viel zu weit. Wenn ich bis um zwei oder drei in der Früh am Schreibtisch sitz, dann steig ich doch nicht mehr in den Nachtbus, um für ein paar Stunden heimzufahren! Das ist ein Blödsinn. Die Wohnung im Zehnten hab ich aufgegeben. Heute leb ich hier am Karmelitermarkt, in einem Haus zusammen mit all meinen Schützlingen.

Das ist ein desolates Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, das heute unter Denkmalschutz steht. Das Haus gehört dem Wiener Bauträgerunternehmen Ulreich und ist uns kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Für unsere Zwecke reicht es vollkommen. Ich wüsste sonst nicht, wohin. Im November 2005, als ich mit meinen Leuten hierhergezogen bin, hat der Hans Jörg Ulreich g'sagt: 'Frau Bock, solange noch die letzten Hauptmieter drinnen sind, kann ich eh nicht umbauen. Sie können das Haus so lang nutzen!' Und wissen S' was? Die letzte Hauptmieterin ist schon seit Monaten draußen, und ich bin mit meinen Leuten immer noch da.

Letztes Mal ist eines von den Fenstern kaputtgegangen, es hat reingezogen wie nur was. Der Ulreich ruft mich zurück und sagt: 'Frau Bock, tauschen S' es aus und schicken S' ma die Rechnung!' Der Magistrat hat jedenfalls seit Jahren an Grant auf ihn, weil er es so weit hat kommen lassen. Das Haus von der Bock werde dem gepflegten Stadtbild des Karmelitermarktes nicht gerecht, sagen die von der Stadt Wien. Nichts als Scherereien mit der Bock und ihren bösen Ausländern!

Wie Sie sehen, wird das ganze Haus zum Wohnen und Schlafen genutzt. Überall liegen Matratzen und Schlafsäcke. Im Erdgeschoß gibt's ein kleines Büro für mich und die Zivis, daneben ist eine Küche zum Kochen und zum Wäschewaschen. Im Augenblick gleicht der Raum einer Wäschekammer, weil ich noch nicht dazugekommen bin, die Spendenkleider auszusortieren. Ich leide an chronischem Platzmangel.

In meiner Kanzlei schlafen zwei Mütter, drei Kinder und eine alte Oma. Im ersten Stock wohnen zurzeit zwei armenische Familien mit einem Haufen Kinder. Und im zweiten Stock gibt's zwei Wohnungen. In einer wohnt eine dreiköpfige Familie mit einem Mann, der regelmäßig durchdreht. In der anderen leben zwei Familien mit jeweils einem Rollstuhlfahrer. Es ist saumäßig eng, und für die Rollstuhlfahrer ist das auch nicht grad die beste Variante – immer noch besser als draußen auf der Straße.

Ich selbst schlaf oben im zweiten Stock in einem kleinen Loch. Ich brauch ja nicht viel. Das ist ein kleines Kabinett mit einem Bett, einem Nachtkastl und einer kleinen Nachttischlampe. Aber die brauch ich auch nicht wirklich. Wer will denn mitten in der Nacht noch lesen? Manchmal mach ich noch ein Kreuzworträtsel. Ich brauch irgendwas Dummes, um abzuschalten, sonst wär ich schon längst durchgedreht.

Aber das macht mir nichts, ich bin das gewohnt. Wohnen und Arbeiten war bei mir immer schon in ein und demselben Haus. Wissen Sie, ich bin froh, wenn die Wege kurz sind und ich nicht so viel herumrennen muss. Es beißt ja schon an allen Ecken und Enden, bin auch nicht mehr die Jüngste!

Umadumfahren muss ich eh schon genug. Sie müssen sich vorstellen, ich miete in Wien zurzeit rund hundert Wohnungen, in denen je nach Saison 350 bis 400 Menschen wohnen. Es gibt noch eine andere Hausverwaltung, die sehr nett ist. Das ist die Academia Immobilien Treuhand. Der Peter Matzenberger stellt mir seine Wohnungen günstig zur Verfügung. Trotzdem: Wenn ich mir die monatlichen Fixkosten zusammenrechne, wird mir schlecht. Mit all den Gehältern, die ich zahlen muss, sind das 50.000 Euro pro Monat. Ohne Spenden wär ich schon längst tot. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1./2.5.2010)