Am Ausbruch der Weltfinanzkrise wurde den Ratingagenturen eine wesentliche Mitschuld gegeben. Die Risiken von komplexen Finanzprodukten wurden lange viel zu niedrig eingestuft. Nun sorgen die Abstufungen von griechischen, portugiesischen und spanischen Staatsanleihen durch Standard & Poor's - neben Moody's und Fitch - führende Ratingagentur, für heftige Debatten. Kredite haben sich für die Länder massiv verteuert.

Der Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn, Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble und auch die EU-Kommission versuchen, die Bedeutung der Agenturen herunterzuspielen. De facto entscheiden ihre Einstufungen aber darüber, zu welchen Konditionen Konzerne, Banken und Länder Geld aufnehmen können. Im Falle Griechenlands hängt auch die Bonität vieler Unternehmen und Gemeinden an der Kreditwürdigkeit des Landes.

Hohe Mehrkosten

Sie haben nun einen schwierigeren Zugang zum Kapitalmarkt und in vielen Fällen müssen sie mehr Sicherheiten hinterlegen. Problematisch sind die Ratingschritte von S&P auch für einige griechische Budgettricks. Das Land hat mithilfe von Zweckgesellschaften Schulden vor der EU-Statistikbehörde verheimlicht. Deren Rating ist an die Republik gekoppelt. So muss der Staat für das Vehikel Titlos plc, eine in Irland domizilierte Gesellschaft, im Fall einer Herabstufung in den "Ramsch"-Bereich, mehrere Milliarden Euro als Sicherheiten nachschießen.

Wie soll man nun aber mit den Bewertungen umgehen? Übertreiben die Agenturen? Die Haushaltsmisere der Griechen sei sicher nicht von der Hand zu weisen, sagt dazu Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin für Finanzmärkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Die andere Seite ist aber: Die Agenturen haben bisher sicher nicht mit Solidität geglänzt." Daher müsse die EU darüber nachdenken, "ob man sich die Hilfeleistung dadurch extrem verteuern lässt, dass man Ratings weiter so ernst nimmt". Bekommt Griechenland keine Kredite mehr, müssten schließlich die "europäischen Steuerzahler in Vorleistung gehen".

Schäfer sieht daher in einem ersten Schritt die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert. Diese könnte die Relevanz von Ratings für Refinanzierungsgeschäfte mit griechischen Anleihen aussetzen. Das würde bedeuten, dass Banken weiterhin griechische Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit deponieren können und dafür Geld bekommen.

Rating-Verordnung statt Agentur

Mittelfristig müsse aber endlich eine - eventuell bei der EZB angesiedelte - Europäische Ratingagentur kommen, sagt Schäfer. Überlegungen in diese Richtung gab es bereits vor zwei Jahren. Die EU-Kommission hat dann aber nur eine Rating-Verordnung verabschiedet. Die Agenturen müssen sich demnach bei der EU registrieren. Unternehmen, die beraten werden, dürfen nicht mehr bewertet werden. Bei Verstößen drohen Geldstrafen.

Gäbe es eine Europäische Ratingagentur, könnte diese aber viel stärker "Besonderheiten des europäischen Marktes berücksichtigen", sagt Schäfer. Gleichzeitig würde mehr Wettbewerb entstehen. Aber würden die Anleger wirklich einer quasi staatlichen Organisation mehr trauen? "Ich denke schon", sagt Schäfer. Bei Investorenkonferenzen höre sie immer wieder, dass man einer öffentlichen Agentur mehr Vertrauen entgegenbringen würde. "Die EZB hat ihre Glaubwürdigkeit noch nicht verspielt und sie hat nicht durch Fehleinschätzungen und Interessenkonflikte geglänzt." (go, sulu, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4.2010)