Johannes Abentung: "Im katholischen System wird einem viel geneidet."

Foto: Bauernbund

derStandard.at: Was ist ein Bauer heutzutage?

Johannes Abentung: Ein Idealist...

derStandard.at: Sie scherzen. Alle Bauern, die ich kenne, sind ziemlich bodenständig, allenfalls Nebenerwerbsidealisten. Was mich zur Frage führt: Wie viele Nebenerwerbsbauern gibt es in Österreich?

Abentung: Von den 187.000 Landwirten sind das 105.000. Wo der Fremdenverkehr sehr ausgeprägt ist wie in Tirol, Vorarlberg, Salzburg, haben Sie über drei Viertel Nebenerwerbsbauern. In der Steiermark, in Niederösterreich und Oberösterreich sind eher größere Strukturen zu finden.

derStandard.at: Was müsste ich heute anbieten, wollte ich jetzt in die Landwirtschaft einsteigen?

Abentung: Sie brauchen eine Idee. In Wien gibt es zum Beispiel einen Schneckenzüchter. Der hat auf kleinen Flächen 150.000 Weinbergschnecken. Dann gibt es Leute, die auf wenig Fläche aus Kürbiskernen absolut hochwertige Produkte für die Spitzengastronomie herstellen. Aber bei 187.000 Landwirten kann natürlich nicht jeder eine Nische besetzen. Wenn Sie einen Betrieb erben, der 100 Hektar groß ist, werden Sie auch über die Runden kommen. Dann gehen Sie am besten in die Veredelung. Obwohl es jetzt schwierig ist, weil sämtliche Preise im Keller sind, zum Beispiel beim Getreide. Auch die Biobetriebe haben den Preisverfall letztes Jahr gespürt.

derStandard.at: Wer verdient am meisten am Bioschweinderl, das ich im Wirtshaus konsumiere?

Abentung: Der Bauer verdient unter 20 Prozent - die übrige Wertschöpfungskette ist intransparent. Dann ist Bio meistens von der Struktur her kleiner, die ganze Logistik ist also teurer. Normale Säue oder Getreide dagegen sind nichts anderes als Agrarrohstoffe. Da tritt man mit dem Weltmarkt in Konkurrenz. Beim Getreide zum Beispiel mit Ungarn, bei den Schweinen mit Holland.

derStandard.at: Glaubt man einer aktuellen Studie von Minister Niki Berlakovich, greifen die Österreicher ohnehin recht gerne zu heimischen Produkten.

Abentung: Die Konsumenten sind wirklich unsere treuesten Verbündeten. Sie schauen mit ihrem Lebensmittelbewusstsein auch auf Frische und Regionalität. Sonst hätten wir mit unseren - europäisch gesehen - Nischenprodukten auch schon lange keine Chance mehr. Aber es bleibt natürlich die Frage der Erkennbarkeit der Herkunft. Die ist zum Beispiel bei den Eigenmarken der Handelsketten überhaupt nicht gegeben. Wir wollen derzeit mit der Kampagne „Heimisch kaufen!" das Bewusstsein schärfen, dass, wenn Sie bei uns einkaufen, damit auch bei uns Arbeitkräfte gesichert sind.

derStandard.at: Ist diese protektionistische Haltung nicht überholt?

Abentung: Wenn die Agrarpolitik in einem derart hohen Ausmaß liberalisiert und globalisiert wird, wie das derzeit der Fall ist, dann würde ohne einheimische Unterstützung die Landwirtschaft bei uns kaum mehr rentabel sein. Die EU-Agrarpolitik muss so gestaltet sein, dass jede Region in Europa auch in Zukunft Landwirtschaft hat, weil sie wie die Wasserversorgung zur Daseinsvorsorge zählt.

derStandard.at: Agrarpolitisch steht ein Wendepunkt bevor. Der hohe Anteil der EU-Agrarsubventionen - mit rund 40 Prozent der größte Posten im EU-Haushalt- soll reduziert werden, zugunsten anderer Aufgaben, die man als wesentlicher für die Zukunft Europas erachtet. 30 Prozent Kürzung wurden diskutiert. Da bliebe vermutlich kein Stein auf dem anderen in der Landwirtschaft.

Abentung: Die EU-Agrarpolitik ist auf Liberalisierung, Globalisierung und internationale Märkte ausgerichtet. Streicht die EU tatsächlich 30 Prozent der Förderungen, werden wir dem Druck am Markt noch stärker ausgesetzt. Eine ernste Existenzbedrohung.

derStandard.at: Sollten nicht die österreichischen Bauern nach den gesamten Umwälzungen der vergangenen Jahre inzwischen flexibel und stabil genug aufgestellt sein?

Abentung: Es hat sich wahnsinnig viel getan in den vergangenen Jahren. Wir haben mittlerweile 20.000 Biobetriebe. Wir haben in der Direktvermarktung Potenziale ausgeschöpft und wir haben auch in der betrieblichen Zusammenarbeit - sei es über Maschinenringe oder sonstige Verbände - einen Organisationsgrad erreicht, wo man versucht, auf den stärkeren Marktdruck zu reagieren. Aber im Berggebiet, wo ich von der händischen Arbeit abhängig bin, ist das schwierig. Das sind 30 bis 35 Prozent der Bauern.Wenn diese Betriebe nicht mehr arbeiten würden, wäre das Leben in den Alpenregionen nicht mehr denkbar.

derStandard.at: Aber den Strukturwandel werden Sie nicht aufhalten.

Abentung: Das haben wir in einem hohen Grad schon hinter uns. Seit dem EU-Beitritt haben beispielsweise im Bezirk Gänserndorf die Hälfte der Bauern aufgehört.Wir gehen davon aus, dass die Bauern im letzten Jahr ungefähr 25 Prozent Einkommensverlust im Durchschnitt hinnehmen mussten, neueste Berechnung deuten Richtung 30 Prozent.

derStandard.at: Dafür sind die Preise zuvor entsprechend kräftig gestiegen...

Abentung: ...nach Minusjahren. Dann ging es ein bisschen aufwärts. Jetzt stehen wir vor einer Situation, wo zu den Einkommensverlusten im Bundesbudget gespart werden muss. Wenn dann noch in gewissen Bereichen komplett die EU-Gelder wegfallen, die ökonomische Gesamt-Situation noch schwieriger wird, und uns andrerseits auch Teuerungen wie zum Beispiel beim Öl betreffen, wird es bitter.

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derStandard.at: Stichwort Budget: Wie zufrieden sind Sie mit den vorgetragenen Ideen?

Abentung: Wenn die Landwirtschaft budgetmäßig die volle Keule trifft und die EU 30 Prozent Agrarförderung streicht, wird in fünf Jahren die Hälfte der österreichischen Landwirtschaft in der Form nicht mehr existieren. Sparen wir etwa bei den Zuchtverbänden, die dafür sorgen, dass auch kleine Bauern bei der Produktivitätssteigerung mitmachen können, ist das unzweckmäßig. Oder: Das Geld für die Landwirtschaftsschulen zu streichen, würde bedeuten, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

derStandard.at: Das wären aber ohnedies Peanuts im Vergleich zur Anhebung der Grundsteuer. Eine Anhebung des Einheitswertes könnte laut IHS-Chef Bernhard Felderer Mehreinnahmen bis zu 1,2 Milliarden Euro bescheren. (Anm.: Die Einheitswerte dienen als Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer, für Versicherungszahlungen und Beihilfen.)

Abentung: Erstens muss man bei den Grundsteuern zwischen jenen, die die Landwirtschaft und denen, die die anderen Grundbesitzer zahlen, unterscheiden. Die Landwirtschaft zahlt 28 Millionen Euro Grundsteuer, demgegenüber die Häuselbauer und Betriebsgrundbesitzer 550 Millionen Euro. Felderer hatte dabei die Landwirtschaft gar nicht im Auge. Erhöhungen von Grundsteuern lehnen wir ab, weil sich nur geringe steuerliche Effekte erzielen lassen, die für den einzelnen Betrieb aber trotzdem eine Zusatzbelastung darstellt.

derStandard.at: Ist das System gerecht, wenn die Bewertung für den Eferdinger Gemüsegroßbauern nach dem gleichen System erfolgt wie für den Tiroler Bergbauern?

Abentung: Das System passt sich den unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen, etwa durch Bodengüte, Hanglage, Betriebsgröße etc, sehr genau an. Der Eferdinger wird eben nicht nach den gleichen Parametern bemessen.

derStandard.at: Einheitswerte und Pauschalierung seien die Voraussetzungen für den Erhalt kleiner bäuerlicher Strukturen, argumentieren die Landwirtschaftsvertreter. Wer drei Mähdrescher zum Preis von jeweils einem Porsche hat, wird aber nicht anders bewertet als der Nachbar, der sich nicht einmal einen leisten kann.

Abentung: Warum kann sich einer drei Mähdrescher leisten? Weil er geschäftstüchtig ist. Man kann an die Sache nicht mit einem egalitären Gerechtigkeitsmaßstab herangehen. Wenn der gleiche Bauer mit seinen Schnecken auf der gleichen Fläche mehr verdient, als ein Bauer mit Getreideanbau, dann steht ihm auch zu, dass ihm mehr bleibt. Im Übrigen gibt es in Österreich keinen Betrieb dieser Größenordnung. Und jemand mit drei Mähdreschern (geschätzter Investitionswert 1 Million Euro) ist ein gewerblicher Lohnunternehmer und damit voll steuerpflichtig wie jeder andere Unternehmer.

derStandard.at: Also alles bestens beim Einheitswerte-System?

Abentung: Der Bauernbund ist für eine Sicherung des Systems - wenn Änderungen erforderlich sind, dann sind sie zu machen.  Unter 11.000 Euro zahlt man keine Einkommenssteuer, das betrifft natürlich auch viele Bauern. Wenn Sie jetzt einen Getreidebauern nehmen, hat der einen negativen Deckungsbeitrag, das heißt, der zahlt momentan drauf.

derStandard.at: Zu den Agrarförderungen: Es heißt ja, 90 Prozent der Mittel gehen an zehn Prozent der Bauern, die keine Kleinbauern sind. Manchen ist das Fördersystem nicht transparent genug, manchen zu ungerecht...

Abentung: Die Transparenz ist von der EU vorgeschrieben. Im Internet kann man sich am Transparenzkonto anschauen, wer diese Förderungen bekommt. Über die Höhe der Summen kann man unterschiedlicher Ansicht sein. Wenn der Bauer etwas bekommt, bringt er eine Leistung auf der Fläche. Wenn eine Firma wie Rauch etwas bekommt, dann dafür, dass sie Produkte wie Zucker den heimischen Produzenten abnimmt und international vermarktet. Die Stützung ist die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem Marktpreis, die von der EU zugestanden wird, und dient also dazu, dass das Produkt überhaupt in Österreich und nicht am internationalen Markt gekauft wird.

derStandard.at: Die Gegenwehr gegen die Veröffentlichung der Transparenzdatenbank war groß.

Abentung: Was uns als Bauernbund gestört hat: Dass in Bezug auf das Transferkonto schon ein irres Geschrei war, obwohl nicht einmal daran gedacht war, gewisse Daten ins Internet zu stellen. Da geht es ja nur darum, dass man personenbezogen gewisse Daten auf ein Konto - also nicht für die Öffentlichkeit einsehbar - zusammenfasst. Unsere Daten am Transparenzkonto sind ja auch der Öffentlichkeit zugänglich, da leben wir sozusagen calvinistisch...

derStandard.at: Die Bauern lassen sich offenbar nicht gerne als Großverdiener hinstellen.

Abentung: Weil wenn man viel hat, dann wird einem viel genommen. Und es ist eine philosophische Frage. Im Protestantismus, sind Sie, wenn Sie reich sind, von Gott begnadet. Man zeigt dort gerne sein Hab und Gut her. Im katholischen System ist das nicht der Fall. Da wird einem viel geneidet. (Regina Bruckner)