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Ausgeschlafen am Theaterverhandlungstisch: Catrin Striebeck (M.), Martin Wuttke und Marc Hosemann (li.) in "Peking Opel" - mit Anleihen an Ernst Lubitschs Lustspiel "Serenade zu dritt".

Zur Person:
Catrin Striebeck (44), aus Wien gebürtige deutsche Theater- und Filmschauspielerin ("Gegen die Wand", "Tatort") , ist seit 2009 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters (u. a. Kleopatra).

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Warum sie Norddeutsch spricht und wozu Überforderung taugt, erzählte sie Margarete Affenzeller. Die ursprünglich für Freitag, 28.5., angesetzte Premiere wurde auf Sonntag, 30. 5., verschoben.

Standard: René Pollesch glaubt nicht an den klassischen Dialog am Theater und hat eine neue Form des verhandelnden Sprechens gefunden. Erzeugen diese auf den Proben lange unsicher bleibenden Texte produktives Unbehagen?

Striebeck: Der Kontrast zu anderen Proben ist gar nicht so groß. Das Erarbeiten einer klassischen Theaterrolle ist, wie das Lesen von Giorgio Agamben, eine Auseinandersetzung mit Inhalt und Sprache. Was Pollesch untergräbt, ist die vorgefasste Wahrnehmung. Da eine Frau, dort ein heterosexueller weißer Mann: Sofort stülpen die Zuschauer Vorinterpretationen drüber. Die Käfige, in denen Theaterfiguren kategorisiert sind, müssen weggebrochen werden.

Standard: Pollesch ist für seine Sprechanforderung berüchtigt. Hat die damit einhergehende Erschöpfung für das Spielen einen Wert?

Striebeck: Die Erschöpfung müsste man übersetzen mit Überforderung. Das Gute daran ist, dass man ständig mehr als beschäftigt ist und gar nicht ins Grübeln kommt darüber, wie könnte ich das oder jenes "darstellen".

Standard: Das Switchen zwischen Shakespeare und Pollesch fällt Ihnen also leicht?

Striebeck: Es kommt auf die jeweilige Arbeit an. Schnitzler klassisch zu spielen finde ich unheimlich schwer. Wenn Genia im Weiten Land vom Tod ihres Lovers erfährt: Wie soll man das glaubwürdig hinkriegen? Man beginnt sofort, Emotionen abzusuchen. Das ist der wesentliche Unterschied zu Pollesch: Bei ihm werden Inhalte verhandelt, jenseits von Figuren. Emotionen entstehen nicht aus einer Figurenpsychologie heraus, sondern aus der gedanklichen Herausforderung.

Standard: Worum geht es in "Peking Opel"? Mit welchen Texten haben Sie sich befasst?

Striebeck: Wir haben viele Filme geguckt und Agamben gelesen, auch Klaus Theweleit. Es geht um genau die Fragen, die wir hier behandeln: In welchen Schablonen denken wir voneinander, welche Sicht hat man auf andere Menschen? Man wird ja ständig interpretiert, als Schwarzer, als Frau, so wie man angezogen ist.

Standard: Sie haben bereits vor zehn Jahren mit René Pollesch gearbeitet. Hat sich an seiner Arbeit etwas geändert?

Striebeck: Vor allem hat sich das Theater rundum geändert, und bestimmt auch beeinflusst von Pollesch. Was aber anders ist: Es wird auf der Bühne nicht mehr so geschrien wie früher.

Standard: Sie wurden in Wien geboren und haben einige Jahre hier gelebt, sprechen aber gar nicht Wienerisch. Wie sehr kann für einen Schauspieler heute seine Sprachfärbung von Nachteil sein?

Striebeck: Das ist kein Ding mehr, denke ich. In Deutschland auf keinen Fall. In Wien habe ich das Gefühl, dass das Publikum seine Schauspieler wegen des Wienerischen besonders liebt. Mir wurde bei der Kleopatra vorgeworfen, ich spräche zu Norddeutsch. Ja, soll ich Ägyptisch reden?

Standard: Warum haben Sie sich zum Wechsel nach Wien entschieden?

Striebeck: Ich habe die letzten zehn Jahre frei gearbeitet, um mir zu beweisen, dass ich als Schauspielerin selbstständig sein kann. Und es hat funktioniert. Matthias Hartmann hatte mir bereits Angebote für Bochum und Zürich gemacht, aber damals wollte ich noch nicht wieder in einen festen Vertrag. Jetzt ist es aber so weit. Und da ich doch den Ensemblegedanken in mir trage, bin ich jetzt an der Burg. Meine Eltern haben sich hier als Schauspieler am Burgtheater kennengelernt. Und vielleicht ist es auch ein wenig Nostalgie wegen des Reinhardt-Seminars, an dem ich meine Ausbildung gemacht habe.

Standard: Sie wollten Fatih Akin, mit dem Sie "Gegen die Wand" gedreht haben, fürs Theater gewinnen. Hat das schon geklappt?

Striebeck: Wir reden noch drüber. Als er in Wien "Soul Kitchen" präsentierte, hab ich ihm das Haus am Ring gezeigt, da hab ich ihn total angefixt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2010)