Berlin - Die Regierung hat das Bundesverfassungsgericht vor den Folgen eines Stopps des Euro-Rettungsschirms gewarnt. Eine einstweilige Verfügung gegen die Bürgschaften für hochverschuldete Euro-Länder käme einer "sich selbst erfüllenden Erwartung auf einen Zahlungsausfall" gleich, schrieb die Bundesregierung an die höchsten deutschen Richter nach Angaben des Juristen Dietrich Murswiek.

Der Verfassungsrechtler vertritt den CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, der gegen den Rettungsschirm klagt und per einstweiliger Verfügung die Freigabe der Bürgschaften stoppen will. Eine Pleite Griechenlands und anderer Euro-Länder hätte nach Ansicht der Regierung unabsehbare Folgen für die Gemeinschaftswährung und die Wirtschaft in der Europäischen Union.

CSU-Abgeordneter: Antrag auf einstweilige Verfügung

Gauweiler bestätigte am Wochenende einen "Spiegel"-Bericht, Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle habe Bundesregierung, Bundestag und Bundespräsident um Stellungnahmen zu seinem Antrag auf einstweilige Verfügung gebeten. Auch an alle Landesregierungen, Bundesbank und Europäische Zentralbank seien entsprechende Aufforderungen ergangen. Das Finanzministerium lehnte am Sonntag eine Stellungnahme ab. Der Eilantrag des CSU-Abgeordneten zielt darauf, der Bundesregierung die Aktivierung der deutschen Bürgschaften bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verbieten.

In ihrer 38 Seiten langen Stellungnahme erklärte die Bundesregierung nach Angaben Murswieks unter anderem, der Euro-Rettungspakt stelle keine rechtsverbindliche völkerrechtliche Vereinbarung dar, sondern nur eine politische Absichtserklärung. Nach Einschätzung Gauweilers ist dies von Belang, weil nur die Unverbindlichkeit es noch ermögliche, die Bürgschaften noch zu stoppen. Der CSU-Politiker zeigte sich zuversichtlich, im Hauptsacheverfahren Recht zu bekommen. Die Aussichten auf eine einstweilige Verfügung wollten dagegen weder er noch sein Rechtsvertreter beurteilen.

Merkel: Griechenland-Rettung im ureigensten deutschen Interesse

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Rande eines Treffens mit Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew, der Rettungsschirm liege im ureigensten deutschen Interesse. "Denn ohne den Euro wäre die Bewältigung der Wirtschaftskrise extrem viel schwieriger geworden, als das schon der Fall ist." Mit dem Schirm allein seien aber die Probleme nicht gelöst. Deswegen kämen die Hilfen nur jenen Ländern zugute, die zu strukturellen Reformen bereit seien.

Der CSU-Politiker Gauweiler hatte unmittelbar nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat vor gut zwei Wochen Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zum Euro-Schutzschirm eingereicht, an dem Deutschland mit maximal 148 Milliarden Euro beteiligt ist. Nach einer Umfrage des Instituts Forsa für den Finanzdienstleister AWD halten 56 Prozent der Deutschen den Euro-Rettungsschirm für nicht sinnvoll. Dagegen befürworten 38 Prozent die Bürgschaften.

Gauweiler bereits mit Verfassungsklage gegen "Lissabon"

Im Falle der Milliarden-Kredithilfen für das hochverschuldete Eurozonen-Mitglied Griechenland hatte das Verfassungsgericht Anfang Mai noch am Tag der Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat einen Eilantrag von Euro-Skeptikern abgeschmettert. Öffentlich gemacht wurde der Beschluss einen Tag später, zu den Erfolgsaussichten der eigentlichen Verfassungsbeschwerde äußerten sich die Richter nicht.

Gauweiler hatte vergangenes Jahr mit einer Verfassungsklage Änderungen am Lissabon-Vertrag durchgesetzt, in dem nationale und EU-Kompetenzen geregelt werden. (APA/Reuters)