Ja, Otto Muehl hat also einen Brief geschrieben. Besser, er hätte nicht. Denn wenn uns der greise und kranke Ex-Kommunarden-Häuptling etwas wissen lässt, dann, dass er wenig begriffen hat. Er war nämlich nicht, wie er gleichermaßen weinerlich wie euphemistisch schreibt, "manchmal zu scharf" (sic); er hat Menschen nicht bloß "verletzt" , er hat nicht nur "an den Bedürfnissen meiner Mitmenschen vorbei agiert" - sondern, um die Dinge beimNamen zu nennen: Otto Muehl hat über viele Jahre Kinder, Jugendliche und Frauen misshandelt, sexuell missbraucht, ausgebeutet. Die Muehl-Kommune verwandelte sich im Laufe der Zeit in ein streng totalitäres System, alle Gewalt ging vom gottgleichen und mächtigen Führer aus.

Dafür dass er, wie er sich da so lieb zurückerinnert, "auf alle Kommunarden sehr gestanden" ist, verbüßte Muehl sieben Jahre hinter Gittern. So weit, so ungut. Weil er aber nicht nur ein Kinder- und Menschenschänder war, sondern auch ein verflixt guter Maler, will man seine Bilder ausstellen, auf den Markt bringen, museal auratisieren. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden.

Bizarr ist allerdings, dass ausgerechnet bei jenem Mann, der Leben und Kunst auf eine geradezu monströse Weise verquickt hat, auf deren strikte Trennung gepocht wird. Geht nämlich nicht. Einfach zumNachdenken: Wäre Herr F. aus Amstetten ein begnadeter Maler, wie hielte man es mit Bildern aus der Zeit, als er seine Tochter gefangen hielt? (Andrea Schurian, DER STANDARD/Printausgabe, 12./13.06.2010)