Wien - Als die Ehekrise im Lauf des Jahres 2010 immer akuter wurde, zog Andres G. einfach aus. Der seit 2004 mit einer Österreicherin verheiratete Venezolaner, der mit dieser zwei Kinder hat, schlüpfte bei einem Bekannten unter, ohne sich groß um einen Mietvertrag zu kümmern. Auch für die Jobsuche - als Folge der Wirtschaftskrise hatte der Leiharbeiter seine Anstellung verloren - fehlte ihm damals jeder Antrieb.

Das sollte sich nach der Scheidung im September 2010 bitter rächen. "G. ist nur knapp einer Ausweisung entgangen, weil ihm die Voraussetzungen fehlten, um eine eigenständige Aufenthaltsbewilligung zu begründen", schildert Angela Magenheimer, Sprecherin der Unterstützungsorganisation für binationale Paare "Ehe ohne Grenzen": "In St. Pölten fand er keine preiswerte Wohnung, also zog er nach Wien. Hier kam er auch als Hilfskraft im Gastgewerbe unter. Wahl hatte er keine, es sei denn die Rückkehr nach Venezuela."

Denn im Unterschied zu ausländischen EU-Bürgern, die in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen, müssen Drittstaatangehörige vor dem strengen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) bestehen. Mit einer Scheidung endet für sie die Aufenthaltsberechtigung als Familienangehörige. Sie müssen ihre Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen: ortsübliche Wohnung sowie 780 Euro Nettoeinkommen pro Monat und Person, plus Miete, plus Belastungen durch Kreditraten und Alimente. Betroffen davon sind auch die in Österreich gar nicht wenigen Ehepartner serbischer oder kosovarischer Staatsangehörigkeit.

Die Konsequenz in vielen Fällen, so Magenheimer: "Die Scheidungen werden aufgeschoben." Doch das könne unerwünschte Spätwirkungen haben. Etwa wenn die offiziell weiterhin verehelichten Partner neue Beziehungen eingehen - und dabei Kinder in die Welt setzen, die dann, bis zum Gegenbeweis, der aufrechten Ehe zugerechnet werden. Für Petruska Krcmar von Fibel, dem Verein bikultureller Ehen, verlangt dies Änderungen: "Zum Nachweis der Selbsterhaltungfähigkeit sollte Betroffenen eine Übergangszeit eingeräumt werden." (bri/DER STANDARD-Printausgabe, 22.6.2010)