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Lange Gesichter bei Kanzlerin Merkel und ihrem Kandidat Christian Wulff.

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Joachim Gauck, Kandidat der SPD und der Grünen, mit Bettina Wulff.

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Berlin - Der Kandidat der schwarz-gelben Koalition, Christian Wulff, verpasst die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl. Nur 600 der insgesamt 1244 Abgeordneten stimmten für ihn. Damit ist ein zweiter Wahlgang notwendig. Die Bundesversammlung hat mittlerweile in einem zweiten Wahlgang erneut abgestimmt. Die Bekanntgabe des Ergebnisses wird für ungefähr 17 Uhr erwartet.

Wulff fehlen 23 Stimmen für die notwendige Mehrheit. Auch in dem zweiten Wahlgang braucht er die absolute Mehrheit - also mehr als die Hälfte der Stimmen. Erst bei einer eventuellen dritten Wahlrunde reicht eine einfache Mehrheit. Die Kandidaten bleiben im zweiten und auch im eventuellen dritten Wahlgang dieselben. Es sei denn, eine der Parteien zieht ihren Kandidaten zurück.

Gemeinsam stellen die Unionsparteien und die FDP 644 Abgeordnete in der Bundesversammlung. Das Ergebnis von 600 Stimmen für Wulff bedeutet, dass 44 Abgeordnete nicht für Wulff gestimmt haben. Laut FDP haben vier Abgeordnete der FDP gegen Wulff gestimmt.

Der Kandidat der SPD und der Grünen, Joachim Gauck, erhielt 499 Stimmen. Die SPD (333) und die Grünen (129) gemeinsam kommen aber nur auf 460 Abgeordnete. Zwei Abgeordnete der SPD blieben aus Krankheits- und persönlichen Gründen der Wahl fern. Damit hat Gauck 39 Stimmen aus anderen Fraktionen erhalten.

Die Kandidatin der Linke Luc Jochimsen kommt auf 126 Stimmen. Die Linke ist aber mit nur 124 Abgeordneten in der Bundesversammlung vertreten. Jochimsen hat also zwei Stimmen außerhalb ihrer eigenen Fraktion erhalten.

NPD-Kandidat Frank Rennicke bekam drei Stimmen.

Eine Stimme war ungültig, 13 Wahlleute enthielten sich.

Linke Mehrheit in der Bundesversammlung möglich

Rein rechnerisch kommen die Kandidaten von SPD, Grünen und Linke gemeinsam auf 625 Stimmen. Das würde für eine absolute Mehrheit ausreichen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Linke ihre Kandidatin Jochimsen zurückzieht und für den Kandidaten der SPD/Grünen, Joachim Gauck, stimmt. Und natürlich müssen auch alle aus der Regierungsfraktion, die im ersten Wahlgang ihre Stimme nicht Wulff gegeben, haben bei ihrem Stimmverhalten bleiben. 

Spekulationen über neuen Kandidaten

Die Fraktionschefin der Linken Gesine Lötzsch bringt eine weitere Variante ins Spiel: Sie schlägt einen gemeinsamen Kandidaten der SPD, der Grünen und der Linken für den dritten Wahlgang vor.

Merkel ruft zu Einheit auf

Nach Informationen von SPIEGEL-Online hat Kanzlerin ihre Fraktion zur Geschlossenheit gemahnt. Die Union sei eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Ein dritter Wahlgang würde nur den Linken in die Hände spielen. Dann sei die Regierungsfraktion nämlich darauf angewiesen, dass die Linken ihre Kandidatin nicht zurückziehen und damit die einfache Mehrheit für Wulff sichern.

Debatte über Schuldfrage bei der Union und FDP beginnt

In der Koalition begann bereits die Debatte darüber, wer für das Scheitern Wulffs im ersten Anlauf die Verantwortung trägt. Die FDP wies die Unterstellung zurück, dass die Liberalen Schuld seien. "Die Freien Demokraten werden Wulff erneut geschlossen unterstützen, wie sie dies im ersten Wahlgang getan haben", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle nach einer eigens angesetzten Fraktionssitzung. "Wir sind geschlossen und klar aufgestellt." Dies habe ein Meinungsbildung in der Fraktionssitzung ergeben.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Volker Bosbach, äußerte sich zwar zuversichtlich, dass Wulff auf jeden Fall gewählt wird. "Aber der Ausgang der Wahl ist auch Interpretationsgrundlage dafür, wie der Zustand der Regierung in Berlin ist", sagte Bosbach der ARD. "Wir müssen wieder zeigen, wie groß der Korpsgeist der schwarz-gelben Koalition in Berlin ist." Vor "politischer Verwirrung" warnte der frühere Wirtschaftsminister und CSU-Politiker Michael Glos, falls die Abweichler in den schwarz-gelben Reihen weiter nicht für Wulff stimmen sollten. (red, Reuters, APA, derStandard.at, 30.6.2010)