Was soll man mit Denkmälern machen, die politisch nicht mehr in die Zeit passen? Abreißen? Verändern? Mit Erklärungen versehen? Die Frage stellt sich derzeit rund um das Wiener Lueger-Denkmal, über dessen Schicksal eine Arbeitsgruppe mit dem Wiener Magistrat verhandelt. Karl Lueger war ein bedeutender Wiener Bürgermeister und gleichzeitig der Mann, der die Methode des Stimmenfangs mittels Antisemitismus erfunden hat. Es gibt gute Gründe, seine Denkmalwürdigkeit zu hinterfragen. Trotzdem finde ich: Denkmäler soll man in Ruhe lassen.

Denkmäler sind Zeugen ihrer Zeit. Sie sagen aus, welche Personen und welche Taten man zur Zeit ihrer Errichtung für bewundernswert erachtet hat. Nicht immer deckt sich das mit unserer heutigen Einschätzung. Wir haben ein schönes Denkmal für Karl Renner, der den Anschluss an Deutschland l938 befürwortet hat (der stählerne Renner-Kopf von Alfred Hrdlicka am Ring), aber keines für Bruno Kreisky. Der große Prinz Eugen hat sein Reiterstandbild auf dem Heldenplatz, sein Gegenüber, der Erzherzog Karl, verdankt seine gleichermaßen prominente Darstellung aber wohl eher Gründen der Symmetrie. Die Fahne, die der Sieger von Aspern, seinen Truppen voranstürmend, in Händen hält, hat er nie getragen. Das hätt ich schwaches Mandl nie können, sagte er dazu später.

Wien hat übrigens bemerkenswert wenige Denkmäler für Feldherren und Schlachtenlenker, dafür wimmelt es, vor allem im Stadtpark, nur so von Künstlern und Musikern, von Mozart bis Robert Stolz. Denkmäler für berühmte Frauen? In Wien fällt mir neben dem Maria-Theresien-Denkmal nur eine Büste der Schauspielerin Hansi Niese neben dem Volkstheater ein. Die Muttergottesfigur auf der Mariensäule Am Hof kann man da wohl nicht mitzählen.

Unerwünschte und peinlich gewordene Denkmäler ist man anderswo auf unterschiedliche Weise losgeworden. Die Prager haben ihr gigantisches Stalindenkmal einfach in die Luft gesprengt. Die meisten Leninstatuen wurden in den einstigen Ostblockländern still entsorgt, in Moskau stehen noch einige. Dafür konnten nach der Wende einige bei der kommunistischen Machtergreifung weggeräumte, aber nicht kaputtgemachte Monumente praktischerweise aus den Depots wieder hervorgeholt und aufgestellt werden, so ein Masaryk in Zlin in Mähren und eine Sisi in Budapest. In einer der asiatischen Ex-Sowjetrepubliken machte kürzlich jemand den Vorschlag, Denkmäler künftig so anzufertigen, dass man den Kopf je nach Bedarf auswechseln kann. Berühmte Männer sähen schließlich sowieso alle gleich aus.

In der Debatte rund um das Lueger-Denkmal wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Ein junger Künstler reichte den Vorschlag ein, die Lueger-Figur schräg zu stellen. Das symbolisiere die "Schieflage" dieses Politikers. Eine originelle Idee für einen Studentenwettbewerb, praktisch ausgeführt wohl aber doch eher albern. Außerdem würde sie kein Mensch verstehen. Und eine Zusatztafel? Etwa "aber er war ein Antisemit"? Geht vermutlich auch nicht. Es hilft nichts, wir werden wohl mit dem antisemitischen steinernen Bürgermeister leben müssen. Ja, es ist peinlich. Aber die Vergangenheit ist eben manchmal peinlich. Wie übrigens gelegentlich auch die Gegenwart. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD, Printausgabe, 7. Juli 2010)