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Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

Die EU-Abgeordnete Angelika Werthmann aus Salzburg hat nach einem Jahr in Straßburg also die Konsequenz gezogen und die Liste Hans-Peter Martin verlassen. Sie bleibt - wie schon Karin Resetarits, die sich 2004 nach nur wenigen Wochen mit "HPM" zerkrachte und im EU-Parlament blieb - freie Abgeordnete. Zwischen den beiden Politikerinnen gibt es kaum Ähnlichkeiten. Fast übereinstimmend sind aber ihre Berichte, warum sie es nach erfolgreicher Wahl mit dem von der "Krone" gepushten EU-Aufdecker nicht lange ausgehalten haben.

Dieser sei ein Egomane, der andere nicht zum Zug kommen lasse. Martin predige Wasser und trinke Wein. Er führe mit den abenteuerlichsten Methoden andere Politiker vor, prangere immer nur bei den anderen den Mangel an Transparenz und Demokratie an. Aber wenn es um seine eigene Partei gehe, um Kritik an ihm und seinem Stil, vor allem aber um die geforderte Klarheit, was er mit Millionen an Parteienförderung mache, dann sei er ein Politiker nach Uralt-Methode, der keinerlei Offenheit pflege, Kritik nicht vertrage, sondern mit wilden Gegenattacken auf Kritiker reagiere, völlig abgehoben seine Entscheidungen treffe.

Das alles ist nicht überraschend. Wer den ehemaligen Spiegel-Journalisten seit langem im EU-Parlament beobachtet, für den war ein neuerlicher Crash Martins mit einer (ehemaligen) Mitstreiterin nur allzu logisch. Auf derStandard.at habe ich etwa vor fast genau einem Jahr penibel beschrieben, wie Martin und Ehrenhauser rund um die Konstituierung des neugewählten EU-Parlaments versucht haben, Werthmann zum Verzicht auf ihr Mandat zu "bewegen". Das wurde glatt geleugnet. Wüste Kritik bis an den Rand der Verleumdung waren die Folge.

Martin und Ehrenhauser versuchten in einem langen Gastkommentar im STANDARD zu belegen, dass nichts, aber auch gar nichts, dran sei an "angeblichen" Unstimmigkeiten innerhalb seines Listenbündnisses. Nun sieht man das Ergebnis.

Als ich ihn im Europablog am 17. Dezember 2009 einlud offenzulegen, was mit den Millionen an Parteienförderung geschehen sei, reagierte er wieder mit Gegenangriff. Er postete eifrig mit. Ein Textbeispiel:

"Lieber Thomas (Teil 3), ... und wie Du im vergangenen Sommer meine Mitstreiter kampagnenmässig mit falschen Informationen niedergeschrieben hast: Hätte ich in fast 15 Jahren als "Spiegel"-Redakteur und Korrespondent so gearbeitet, wäre ich sehr schnell gekündigt worden."

Nun gut. Aufklärung über seine Finanzen bzw. die seiner Partei, was mit mehr als 2,3 Millionen Euro aus 2009 geschehen ist, die er für die EU-Wahl kassierte, gab er nicht.

Aber damals schon ist ein eher seltsamer Ton in den Erklärungen Martins selbst wie auch von Ehrenhauser aufgefallen, der eher an Sektenspeak als an eine politische Partei erinnert. Dies findet sich nun wieder in den Erklärungen Ehrenhausers zum Werthmannaustritt. Der Austria-Presse-Agentur sagte er zum "Verrat" Werthmanns: 

"Wir haben seit einiger Zeit feststellen müssen, dass sie sich um 180 Grad zu den Positionen der Liste von Hans-Peter Martin gedreht hat. So hat sie für die Erhöhung der Sekretariatszulage gestimmt und somit für die Anhebung der eigenen Zulage". Und, empört sich Ehrenhauser im Gespräch mit der APA, "sie hat von Beginn an den Ehrenkodex der Liste HPM nicht unterschrieben, wo es viele Verzichte gibt".

Außerdem sei bekannt, dass die Liste HPM immer scharf gegen Rechtsaußen aufgetreten sei. Werthmann habe aber "provokant" manchmal trotzdem mit FPÖ-Abgeordneten gesprochen. Ehrenhauser sprach von einem "menschlichen Desaster".

Und Ehrenhauser empört sich auch über das Verhalten von Werthmann gegenüber Hans-Peter Martin. So habe "Martin bis zur Selbstaufgabe versucht", Werthmann zurückzuholen. Im Rahmen dieser Versuche und den Gesprächen habe er einen "Nervenzusammenbruch" erlitten. Auf die Frage, ob Werthmann Schuld am Nervenzusammenbruch von Martin sei, sagte Ehrenhauser dezidiert: "Genau". Werthmann habe auch "Vereinbarungen gebrochen" und Martin "nie die Möglichkeit gegeben, Arzttermine wahrzunehmen, sich auszurasten und durchzuschnaufen".

Eine Abgeordnete, die ihren Parteichef daran hindert zum Arzt zu gehen? Seltsam. Das Ganze erinnert an Herbst vergangenen Jahres, als Martin kryptische Ankündigungen machte, warum er weniger in Erscheinung trete: Er habe einen Hörsturz erlitten, ließ er wissen, was ihn aber offenbar nicht daran hinderte, in Brüssel bei Abendempfängen aufzutreten oder in Österreich bei TV-Debatten.

Was ist also los in der Liste HPM? Nicht ganz leicht darzustellen. Werthmann ist weg, der verbliebene Ehrenhauser, sein ehemaliger Assistent und treuer Schildknappe, der einzige verbliebene EU-Mandatar neben Martin selbst. Beide nehmen eifrig an Parlamentssitzungen teil. Öffentlich treten sie in Brüssel oder Straßburg praktisch nie auf, Pressekonferenzen geben sie keine mehr, vorgeblich, weil österreichische Korrespondenten sie angeblich so schlecht behandeln. Aber die nächste Folge der HPM-Show kommt bestimmt.