München - Trennen sich Eltern von einander, sollten sie mit ihren Kindern darüber reden und diese Entscheidung ehrlich begründen, damit der Nachwuchs keine falschen Vorstellungen zum Hintergrund des Geschehens entwickelt, meldet der deutsche Online-Pressedienst humannews. „Werden nicht gegebene Erklärungen vom Kind durch Fantasien ersetzt, sind diese meist beunruhigender und belastender als die Wahrheit selbst. Viele Scheidungskinder bekommen dann Schuldgefühle, dass sich die Eltern ihretwegen getrennt haben könnten, was unbedingt vermieden werde sollte. Sie fürchten in der Folge, dass sie die Liebe der Eltern verlieren könnten, wodurch eine angstgeprägte Situation entsteht", meint Frank Häßler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in Berlin.

Vorteilhaft in dieser Situation ist eine gemeinsame Version der Geschichte von Mutter und Vater, wenn sich diese auf eine solche einigen können. Ist dies den Eltern nicht möglich, sollten sie beim Vortragen ihrer Version ergänzen, dass die unterschiedliche Version des anderen Elternteils nicht bedeutet, dass jener lügt. Sie sollten grundsätzlich vermeiden, abfällig über den ehemaligen Partner zu reden. „Das Kind soll sich nicht entscheiden müssen, wer von den Eltern die Wahrheit sagt und wer lügt. Für die psychische Gesundheit der Kinder ist es problematisch, wenn sie Loyalitätskonflikte entwickeln. Diese kommen meist zwangsläufig auf, wenn die Eltern keinen respektvollen Umgang miteinander pflegen.

Fairer Umgang der Eltern wichtig für das Kind

„Das Benutzen von Kindern, um dem Partner Schaden zuzufügen, beziehungsweise um eigene Konflikte zu bearbeiten, kann auch eine Form von Kindesmisshandlung sein", betont der Kinder- und Jugendpsychiater. Um das Kind zu entlasten, ist ebenfalls wichtig, ihm beständig zu vermitteln, dass die Probleme, die zur Trennung führten, sowie die Auseinandersetzung danach, Sache der Eltern sind. Auch sollte ihm klar gemacht werden, dass es nach wie vor beide Elternteile lieben darf und zu keinem von beiden halten muss. „Sehen sich Eltern aufgrund gravierender emotionaler Probleme nicht dazu in der Lage, sich miteinander so zu arrangieren, dass es für die psychische Gesundheit der Kinder vorteilhaft ist, sollten sie therapeutische Unterstützung durch Beratungsstellen oder Mediatoren in Anspruch nehmen", ergänzt der Experte.

Eltern sollten nicht darauf hoffen, dass ihre Kinder eine Trennung ohne Reaktionen hinnehmen. Normale und unvermeidliche Reaktionen von Scheidungskindern sind Trauer, Wut, Beschämung gegenüber Dritten und auch Schuldgefühle. Meist kommen Ängste hinzu, den ausgezogenen Elternteil zu verlieren und eines Tages vielleicht auch noch den anderen Elternteil. „Die Kinder sollte man dann dabei unterstützen, ihre Gefühle zu zeigen und diese am besten auch in Worte zu fassen. Kinder, die keine offensichtlichen Reaktionen zeigen, haben die gleichen Gefühlsprobleme wie Kinder die merklich reagieren. Sie sollen dann behutsam dazu ermutigt werden, ihre Gefühle auszudrücken", so der Experte.

Nach einer Trennung fallen viele Kinder zuweilen in ihrer Selbstständigkeit, Frustrationstoleranz oder ihren Leistungen kurzzeitig auf eine frühere, schon überwundene Entwicklungsstufe zurück. So kommt es beispielsweise wieder zum Einnässen. Diese Regression sollten Eltern zunächst soweit wie möglich zulassen und sich nicht übermäßig Sorgen machen. „Hält dieser Entwicklungsrückschritt jedoch an oder es kommen Schlafstörungen, depressive Symptome und aggressives Verhalten hinzu, sollte ein Kinder- und Jugendpsychiater zu Rate gezogen werden, um frühzeitig über eine therapeutische Unterstützung des Kindes zu entscheiden", rät Häßler.

Psychische Entwicklung von Scheidungskindern

Die Entscheidung für oder gegen eine Trennung sollte grundsätzlich unabhängig von den Kindern getroffen werden. „Eine konfliktreiche Beziehung ohne liebevollen Umgang miteinander hat auf die langfristige psychische Entwicklung von Kindern zumeist schädlichere Auswirkungen als eine geglückte Trennung", so der Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität Rostock. „Auch macht es keinen Sinn, mit der Trennung zu warten, in der Hoffnung, dem Kind würde es in einem höheren Alter weniger ausmachen - ein günstiges Scheidungsalter gibt es nicht."

In Deutschland sind knapp 145.000 minderjährige Kinder jährlich von Scheidungen betroffen.(red)