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Bild: Hypo-Zentrale in Klagenfurt.

Foto: Reuters/Prammer

Die Causa Hypo Alpe Adria ist um eine Wendung reicher: Ex-Bankchef Wolfgang Kulterer wurde am Freitag verhaftet. Akten aus Liechtenstein dürften ausschlaggebend für das Einschreiten der Justiz gewesen sein.

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So hatte sich Wolfgang Kulterer seinen Heimataufenthalt sicher nicht vorgestellt. Der Ex-Chef der Hypo Alpe Adria Bank, der mittlerweile die meiste Zeit des Jahres in England verbringt, wurde am Freitagmorgen in der Garage seiner Klagenfurter Wohnung von drei Beamten festgenommen. Zuvor war er bereits observiert worden. Kulterer befindet sich seit Monaten im Visier der Staatsanwaltschaft und der CSI Hypo. Nun haben sich die Verdachtsmomente so verhärtet, dass sich die Justiz für die härteste Maßnahme, den Freiheitsentzug, entschied. Die Bestätigung der U-Haft durch den zuständigen Richter war am Freitagnachmittag noch ausständig.

Gleichzeitig wurde eine zweite Person verhaftet. Der Name wird vorerst nicht bekanntgegeben. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine frühere enge Mitarbeiterin Kulterers. Der Verdacht: Sie könnte beim Beseitigen von belastenden Unterlagen geholfen haben. Zudem wurden an sieben Standorten in Kärnten und drei in Wien Hausdurchsuchungen durchgeführt. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Wohnsitz abgemeldet

Über die Hintergründe hielt sich die Staatsanwaltschaft Klagenfurt offiziell bedeckt. Wie aus Justizkreisen zu erfahren ist, dürften aber jene Akten, die Mitte Juli von der Justiz in Liechtenstein angefordert wurden, entscheidend für die Razzia gewesen sein.

Was dem 56-jährigen Kulterer ebenfalls auf den Kopf gefallen sein dürfte: Er soll seinen Wohnsitz in Klagenfurt abgemeldet haben. Außerdem veräußerte er zuletzt seine Reitanlage in seiner Kärntner Heimatgemeinde Muraunberg bei St. Veit an der Glan. Für die Justiz besteht daher Fluchtgefahr.

Ebenfalls ins Treffen geführt wird Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr. Das Geld, das vermisst wird, könne ja noch herumtransferiert werden, heißt es.

Mehrere Beschuldigte

Die Vorwürfe gegen Kulterer sind vielfältig. Er ist aber längst nicht der einzige Beschuldigte. Die Soko Hypo erhob zuletzt den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dieser sollen neben Kulterer auch Ex-Vorstand Günter Striedinger sowie der frühere kroatische General und Vizeverteidigungsminister Vladimir Zagorec und ihre Geschäftspartner Hermann Gabriel und Gerhard Kucher angehört haben.

Ein zentraler Vorwurf lautet: In Kroatien soll es zu dubiosen Kreditvergaben gekommen sein. Gelaufen sind die Geschäfte über Gesellschaften, Anstalten und Stiftungen in Liechtenstein. In einem Beschluss des Fürstlichen Landgerichts von 15. Juli war genaueres nachzulesen - der STANDARD berichtete. Konkret geht es um die Vorkommnisse rund um die kroatischen Tourismusprojekte Rezidencija Skiper, AB Maris und das serbische Bauprojekt Blok 67. Es bestehe der Verdacht, "dass Finanzierungsmittel abgezweigt und die Beteiligungskonstruktion gewählt wurde, um den hinter diesen Projekten stehenden Personen Gelder zufließen zu lassen, die ihnen nicht zustehen". Vaduz vermutet, dass Zagorec so Geld gewaschen hat.

Dem Vernehmen nach haben die Ermittler nach Durchsicht der Liechtenstein-Akten auch den Verdacht der Steuerhinterziehung geäußert.

"In den sauren Apfel beißen"

Beim zweiten zentralen Untersuchungskomplex geht es um ein Vorzugsaktiengeschäft aus dem Jahr 2004 (siehe Artikel). Die Hypo litt damals unter Eigenkapitalschwäche und führte daher eine Kapitalerhöhung um 100 Mio. Euro durch. Der Vorwurf: Kulterer sowie weitere Vorstände und Berater sollen über Umwege zum Teil selbst Vorzugsaktien gekauft haben - und zwar mit einem Hypo-Kredit, für den sie 4,5 Prozent Zinsen zahlen. Die Vorzugsaktien brachten allerdings eine garantierte Dividende von 6,25 Prozent. Die Gremien sollen davon nicht informiert worden sein, weshalb es sich um Betrug handeln könnte.

Ein weiterer Grund für die Verhaftung Kulterers soll ein Blitzkredit für die Fluglinie Styrian Spirit auf Zuruf Jörg Haiders gewesen sein. Haider hatte Kulterer per E-Mail um zwei Mio. Euro ersucht. Garantien und Sicherheiten lagen keine vor. Mit dem Geld sollte die drohende Pleite der Fluglinie abgewendet werden. Das kam einem Hypo-Sachbearbeiter riskant vor. Kulterer habe die Bedenken jedoch vom Tisch gewischt und gemeint: Da müsse man halt in den sauren Apfel beißen. Das hielt der Sachbearbeiter in einem Aktenvermerk fest, der der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vorliegt.

Der Leiter der CSI-Hypo Wolfgang Peschorn, zeigte sich mit der Vorgangsweise der Justiz zufrieden. Man habe rund 50 Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft geschickt, in mehr als einem Dutzend sei Kulterer der Beschuldigte. Positiv sei die Sache auch im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche gegen Kulterer. Eine Verurteilung stoppe nämlich die zivilrechtlichen Verjährungsfristen. (go, gra, stein, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.8.2010)