Im Schnitt verzeichnete man bisher 380.000 Besucher pro Tag.

Foto: Nils Hohnwald

Auf einem großen Foto grüßt ein freundlicher, alter Schwede mit dem "Victory-Zeichen" von einer der bunten Wände.

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Die Expo-Passports waren gleich einmal ausverkauft.

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Der Österreich-Pavillon ganz ohne "Holz-Hütten"-Klischee.

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China trifft auf englischen Humor.

Mehr Fotos gibt's in dieser Ansichtssache.

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Es ist heiß in Shanghai, eigentlich viel zu heiß, um sich draußen lange aufzuhalten. Schon gar nicht, um sich viele Stunden unter einem spärlichen Sonnenschutz für einen Pavillon anzustellen. Für einen Pavillon einer Weltausstellung, die westlich des Reichs der Mitte nicht besonders großes Interesse zu wecken scheint.

Eigentlich - denn vierzig Millionen Chinesen sehen das anders. Momentan bei fast vierzig Grad in Shanghai.

Nach dreieinhalb Monaten ist die EXPO offiziell voll im Soll. Bei anhaltendem Interesse würde die angepeilte 70-Millionen-Besuchermarke erreicht werden. Und das wohl selbst ohne die Schülergruppen, die gerüchteweise auf das Gelände geschickt werden sollten, wenn das normale Publikumsinteresse einmal nachließe. Im Schnitt waren es bisher 380.000 Besucher pro Tag. Der Bestwert liegt sogar bei weit über einer halben Millionen Menschen.

Was bei solchen Zahlen von der Leiterin des Österreich-Pavillons, Birgit Murr, als logistische Meisterleistung des "Crowd-Managements" angesehen wird, ist für manch anderen nicht zweckdienlich.

Gelobt wird von Birgit Murr wie es Tag für Tag gelingt, diese Masse an Menschen zu organisieren, mit Essen zu versorgen und einen geregelten Ablauf zu garantieren.

Kritisch betrachtet wird von ihr und anderen, dass vor allem zu Beginn nicht alles so glatt lief. Die langen Wartezeiten von 2-4 Stunden (manchmal sogar bis zu 8 Stunden) vor den populärsten Pavillons, wurden zu einer echten Geduldsprobe, die teilweise zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit dem Ordnungspersonal führten.
Die Wartezeiten sind immer noch ähnlich lang. Inzwischen geht es etwas gesitteter zu.

Springer, Schwimmer und Taucher

Für viele Besucher bleibt bei all der Warterei nicht viel Zeit für den eigentlichen Aufenthalt in den Pavillons. So haben einige Länder schon Kategorien für die unterschiedlichen Besuchergruppen gebildet. Sie sprechen von "Springern, Schwimmern und Tauchern".

Die "Springer" wollen an einem Tag, so viele Pavillons besuchen, wie möglich. Haben sie es endlich in einen Pavillon hineingeschafft, huschen sie einfach nur hindurch ohne wirklich viel von der Ausstellung mitzubekommen.

Das Wichtigste Mitbringsel wartet für sie am Ende eines jeden Pavillons: Der Stempel für den EXPO-Reisepass.
Dieser Reisepass ist so beliebt, dass er schon oft ausverkauft war. Und die Länder-Stempel sind so begehrt, dass sich manche "Besucher" den Eintritt in den Pavillon ganz sparen, um sich direkt am Ausgang nur den Stempel zu holen.

Vor den Stempel-Countern bildeten sich dadurch so große Menschentrauben, dass einige Ausgänge schwer passierbar wurden. Bei den USA findet man seitdem ein Schild mit der Aufschrift "Heute keine Stempel" - und zwar jeden Tag. Holland bietet seinen "Springern" weiterhin die Möglichkeit auf einen Stempel. Aber fern ab vom Ausgang und am "Do-it-yourself"-Stempeltisch.

Wer es sich dagegen leisten kann, mit mehr Ruhe und ohne Stempel-Rush durch die Pavillons zu schlendern, wird am Ende oft belohnt. Bei diesen Gästen sprechen die Pavillonbetreiber von "Schwimmern" oder "Tauchern". Die "Schwimmer" nehmen sich Zeit, schauen Filme und Bilder an und informieren sich zusätzlich über die interaktiven Touchscreens. Die "Taucher" bleiben am Längsten und stellen den internationalen Guides detaillierte Fragen über Land, Kultur oder die Beziehungen zu China.

Vor allem den "Schwimmern" und "Tauchern", die hier ihren ersten "echten" Kontakt zur Außenwelt und unterschiedlichen Kulturen erhalten, werden neue Szenarien und Austauschmöglichkeiten geboten, zu denen sie ohne EXPO keinen Zugang hätten.

Umweltschutz in Schweden

Bemerkenswert ist unter den fast 200 Nationenpavillons der Schwedische, der seinen Gästen sehr bunt und einladend Verbesserungsmöglichkeiten im Umweltschutz zeigt. Auf wandhohen Wechselbildern werden auf der einen Seite Bilder aus der Vergangenheit präsentiert, als Schweden große Müllentsorgungsprobleme hatte. Auf der anderen Seite sieht man wie ein Jugendlicher heutzutage in den klaren See vor Stockholm springen kann. Eine Fantasie für die Zukunft von Shanghai und China? Oder nur eine subtile Hoffnung, dass Verbesserungen überall möglich sind?
Nicht nur die Umwelt liegt den Schweden am Herzen.

Auch die Familie steht im Zentrum ihrer Ausstellung. Eine Küche, in der Mitte des Raumes, symbolisiert im Schwedischen Pavillon das Miteinander leben und das tägliche Familientreffen. Auf einem großen Foto grüßt ein freundlicher, alter Schwede mit dem "Victory-Zeichen" von einer der bunten Wände. "Er repräsentiert das Sozialsystem Schweden's und dass man sich bei uns auch sehr um alte Menschen kümmert", sagt Emma Gustafsson, VIP-Bereich-Officer im Schwedischen Pavillon. 

Kulturelle Eigenheiten und Zusammentreffen

Besonders sehenswert auf dieser größten EXPO aller Zeiten ist die außergewöhnliche Architektur der Pavillons, aber genauso das interkulturelle Zusammentreffen.

Sehr amüsant anzuschauen ist, wenn kleine Chinesen unter dem niederländischen Pavillon auf Kunstrasen und Plastikschafen sitzen und genüsslich ein "Schälchen holländische Fritjes" verspeisen.

Im Deutschen Pavillon dürfen sie sich unter überdimensionierte Gartenzwerg-Mützen zum Foto aufstellen und vor dem UK-Pavillon ist die Verunsicherung nicht gering, wenn der Chinese zum ersten Mal in seinem Leben auf den berühmt-berüchtigten "Englischen Humor" trifft. "That's lovely!"

Möge man für die Engländer hoffen, dass das von den Chinesen auch richtig interpretiert wird. Andernfalls wäre es schon witzig, welches Bild von den Briten in China hängen bliebe.

Architektur der EXPO-Pavillons

Bezieht man sich andererseits auf die architektonische Meisterleistung, mit der das Vereinigte Königreich sein Publikum fasziniert, ist dem UK-Pavillon der Spitzenplatz durch seine einzigartige Form wohl nicht mehr zu nehmen.

Enttäuschung schwingt dagegen bei vielen EXPO-Gästen mit, wenn sie den ägyptischen Pavillon betrachten. Wer an Pyramiden und Pharaos denkt, bekommt ein ultra-modernes Gebäude zu Gesicht, dass mehr an einen schwarz-weißen Rennfahrer-Helm, als an die jahrtausendalte Tradition erinnert.

Im Gegensatz dazu gelingt Österreich der Mix aus Modernität und Tradition in Shanghai. Fern ab vom "Holz-Hütten-Klischee" zeigt man sich ebenfalls mit einer sehr modernen, reizvoll geschwungenen, weiß-roten Außenfassade.
Dass dies beim Publikum zu ähnlichen Enttäuschungen führen könnte, wie beim Ägyptischen Auftritt weist Birgit Murr zurück: "Ich glaube nicht, dass das Österreich-Bild in der Welt so verstaubt ist, dass man die Chinesen vor den Kopf stößt, wenn man mit einem modernen Gebäude kommt."

Bei den meisten Besuchern ist das auch keineswegs der Fall. Der Österreich-Pavillon erweist sich schon bei den "Springern" durch seine Architektur als sehr begehrtes Fotoobjekt. Und "tauchen" sie erst einmal richtig in die Details des Konzepts ein, steigert das ihre Begeisterung zusätzlich.

Denn der Pavillon beinhaltet viele Verbindungselemente zur Chinesischen Kultur: "Im Österreichischen Logo wird das Chinesische Schriftzeichen für Mensch ("人") verwendet, das dem "A" für "Àodìlì" (Austria auf Chinesisch) ähnelt.
Und auch die Fassade integriert Elemente Chinesischer Kultur. Dort sind unzählige sechseckige Porzellanplättchen eingearbeitet." Die "6" ist im Reich der Mitte eine Glückszahl und China das Ursprungsland von Porzellan.
Insgesamt soll von Österreich "ein herzliches, gastfreundliches Bild vermittelt werden." Man legt Wert darauf, dass man sich seiner traditionellen Stärken wie Natur und klassischer Musik bewusst ist. Aber "wir möchten auch vermitteln dass Österreich in der Zeit nicht stehen geblieben ist. Und deshalb mixen wir im großen Stadtsaal auch klassische Musik mit modernen Beats", erläutert Murr weiter.

An Klischees gibt es kein Vorbeikommen

Im Inneren des Österreich-Pavillons, kommt man, bei aller Modernität und Verbindungselementen zur Chinesischen Kultur, nicht ganz vorbei an den altbekannten Klischees: "Das wollen wir auch so und für Sissi schämen wir uns nicht", sagt die Vizekommissärin Murr. Und warum auch? Hier freuen sich viele über ein Foto mit der "wunderschönen Sissi" und erleben zum ersten Mal wie es ist, durch eine österreichische Landschaft zu streifen - wenn diese auch nur per Beamer auf die Wände projiziert wird.
Einige Chinesen, die ihr Leben in städtischen "Beton-Wüsten" verbringen, wissen mit so viel Natur um sie herum oft gar nichts anzufangen. Manche fragen irritiert, "ob das ein Film sei und sind dann überrascht, dass es in Österreich üblich ist, dass man Spaziergänge durch den Wald macht", berichtet ein Guide im Österreichischen Pavillon.

Was einen Österreicher vielleicht verwundert, der das alles aus der Realität kennt, "ist für die meisten Gäste ein neues, interaktives Erlebnis, das Lust auf Österreich macht", so Murr.

So ist diese EXPO in China für die meisten Besucher - ob sie nun von einem zum nächsten Stempel "springen" oder in neue Kulturen "eintauchen" - ein lohnenswertes Erlebnis. In der Hitze der Warteschlangen wie auch in der erfrischenden Winterlandschaft im Österreich-Pavillon.