Bange Sekunden: Am liebsten hätte Elisabeth Leopold wohl selbst das Päckchen mit dem "Bildnis Wally" aufgerissen. Auch Peter Weinhäupl, der kaufmännische Direktor des Leopold Museums, schaut dem Kunsttrans-Mitarbeiter gespannt auf die Finger.

Foto: Standard/Heribert Corn

Auffällige Ähnlichkeiten: Elisabeth Leopold, die Witwe nach dem Kunstsammler Rudolf Leopold, nahm Egon Schieles Portrait seiner Freundin Wally am Flughafen Wien in Empfang - ab Montag soll es erstmals im Leopold Museum zu sehen sein.

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 Das Denkmalamt erteilte bereits die Ausfuhrgenehmigung.

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Wien - Um 8.35 Uhr hätte die Maschine der Austrian Airlines in Schwechat landen sollen. Aber schon um 7.54 Uhr hatte die Boeing 777 mit dem Bildnis Wally an Bord die Parkposition am Rollfeld erreicht.

Dream of Freedom steht in blauen Lettern neben der Pilotenkapsel. Für Elisabeth Leopold, Witwe nach Rudolf Leopold, ging in der Tat ein Traum von Freiheit in Erfüllung: Das Bildnis Wally von Egon Schiele ist zurück in Wien - zwölfeinhalb Jahre, nachdem es in New York beschlagnahmt worden war, weil es in Verdacht stand, NS-Raubkunst zu sein. Der Verdacht besteht zwar weiterhin; doch die Stiftung Leopold erzielte eine Einigung mit den Erben nach Lea Bondi-Jaray, die das Gemälde bis 1938 besessen hatte: Sie bezahlt 14,2 Millionen Euro.

Unter den 219 Passagieren war auch Manfred Siems, der Chefrestaurator des Leopold Museums. Er hatte das Bild in New York geprüft und übernommen. Die Entladung des Alucontainers in Wien verpasste Elisabeth Leopold: "Da haben wir gefrühstückt", erzählte sie später. Zeitgerecht aber traf sie mit ihren Getreuen, dem Anwalt Andreas Nödl und Peter Weinhäupl, dem kaufmännischen Direktor des Leopold Museums, in der Lagerhalle von Kunsttrans ein. In einer roten Klimabox wurde die Wally herangeschleppt.

Zu sehen war großes Kino. Am liebsten hätte Elisabeth Leopold wohl selbst das Päckchen aufgerissen. Ein Kunsttrans-Mitarbeiter öffnete die Box. Das Bild war in braunes Packpapier eingewickelt. Der Mitarbeiter löste Tixostreifen um Tixostreifen. Der Wind zog durch die offene Halle. Die Pistolen steckten in den Halftern der Siwacht-Männer. Die Fotografen lauerten. Doch keine Wally. Sie war auch noch in weißes Packpapier eingeschlagen. Und dann strahlte die Witwe: "Wir sind glücklich und froh."

Siems bestätigte in Affengeschwindigkeit die Echtheit. Und dann sagte Weinhäupl, als handle es sich um einen Erpressungsfall: "Jetzt geben wir das Geld frei." Bei Raiffeisen hatte man, wie berichtet, einen Kredit aufgenommen. Um ihn abstottern zu können, muss das Leopold Museum andere Werke veräußern. Zunächst werden sechs Blätter von Egon Schiele auf den Auktionsmarkt geworfen. Die Witwe denkt, dass die Provenienz Rudolf Leopold den Preis in die Höhe treiben könnte.

Schon im November sollen die ersten Blätter versteigert werden - bei Sotheby's und/oder Christie's in London. Das Bundesdenkmalamt erteilte bereits die Ausfuhrgenehmigung. Das verdutzt. Denn die emigrierten Juden hatten für die in der Nachkriegszeit restituierten Kunstwerke fast nie Ausfuhrbewilligungen erhalten. Sie waren daher gezwungen, diese in Österreich zu verkaufen - zu mitunter lächerlichen Preisen.

Barbara Neubauer, die Präsidentin des Denkmalamts, beteuert, dass man den Fall eingehend geprüft habe: Die Blätter würden "keine zentrale Stellung im heimischen Kunstbestand einnehmen".

Am Montag wird die Wally stolz präsentiert: Sie findet im Museum ihren Platz neben Schieles Selbstbildnis mit Lampionfrüchten. Der Wiedervereinigung entsprechend werden die beiden Teile des Diptychons neue Rahmen erhalten. Wer sie bestaunen will, braucht am Montag nur die Hälfte des Eintrittspreises bezahlen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD - Printausgabe, 21./22. August 2010)