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US-Marine posiert für ein Foto neben der Löwen-Statue beim Palast König Nebuchadnezzar in Babylon.

Foto: REUTERS/Jerry Lampen

Babylon - Die amerikanischen Bomben und Raketen haben die Ruinen der schon in der Bibel erwähnten Stadt Babylon südlich von Bagdad verschont. Obwohl im nahe gelegenen Hilla heftige Kämpfe tobten, traf keine einzige Granate die Überreste der Bauten von König Hammurabi (1792-1750 v.Chr.) und Nebukadnezar II. Doch fast drei Wochen nach dem US-Einmarsch in Bagdad fürchten die Archäologen und Wächter immer noch, dass Plünderer die Spuren der einst bedeutendsten Stadt Mesopotamiens endgültig zerstören können.

Chance für einen Neubeginn der Archäologie

Gleichzeitig bietet der Sturz von Saddam Hussein, der in den 80er Jahren in einem Anfall von Größenwahn den Palast Nebukadnezars II. (605-562 v. Chr.) auf den alten Ziegelfundamenten rekonstruieren ließ, aber auch eine Chance für einen Neubeginn der Archäologie in Babylon. An vielen Stellen ist noch nie gründlich gegraben worden. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass zumindest ein Teil des damals gegen den Rat der UNESCO mit modernen Ziegelsteinen wieder aufgebaute Palast-Ungetüm zumindest zum Teil wieder abgetragen wird.

Kaum Kunstschätze, die sich einfach wegtragen lassen

Dass hier, anders als in dem von Räubern ausgeplünderten Nationalmuseum in Bagdad, bisher nicht im großen Stil zerstört und gestohlen wurde, führen die Wächter vor allem darauf zurück, dass es in Babylon kaum Kunstschätze gibt, die sich so einfach wegtragen lassen. Außerdem stillten die Dorfbewohner der Region ihren Appetit weitgehend bei der Plünderung des oberhalb der Ruinen gelegenen Präsidentenpalastes von Saddam Hussein. Hier trugen sie alles weg, so dass nur noch die von innen mit edelstem italienischen Marmor verkleideten Grundmauern übrig blieben.

"Plünderer haben Handgranaten und Maschinengewehre"

Die Wächter harren nun mit einfachen Sensen und Messern bewaffnet in Sandsturm und Einsamkeit bei den Ruinen aus. "Die Plünderer haben Handgranaten und Maschinengewehre, dem können wir nicht viel entgegensetzen", klagt der irakische Archäologe Ahmed el Ibrahimi. Er traut den Räubern, die immer noch jeden Tag auf dem Gelände herumschleichen, sogar zu, dass sie die Überreste des Ishtar-Tores, das als Rekonstruktion in Berlin im Museum steht, abtragen könnten.

Unterstützung der US-Marineinfanteristen versprochen

Oberstleutnant Willi Buhl, der mit den US-Marineinfanteristen in Saddams leergeräumten Babylon-Palast sein Hauptquartier bezogen hat, verspricht ihm deshalb, künftig einige seiner Leute für die Bewachung der antiken Stätten abzustellen. Aus dem kleinen Museum von Babylon hatten die Plünderer an den ersten Tagen einiges entwendet. Doch hier gab es im wesentlichen ohnehin nur noch Gipskopien der Original-Kunstschätze.

Größenwahn Saddam Husseins bei Wiederaufbau des Nebukadnezar-Palastes

Viele Iraker sind zwar stolz auf den von Saddam Hussein in den 80er Jahren wieder aufgebauten riesigen Nebukadnezar-Palast. Doch die irakischen Archäologen, von denen aus Angst um das eigene Leben, niemand wagte, den Bauplänen des Machthabers zu widersprechen, waren damals genauso entsetzt wie ihre Kollegen aus aller Welt. Saddam Hussein ließ sich von der internationalen Kritik jedoch nicht beirren und ließ, ganz wie ein König aus vorchristlicher Zeit, in die Mauern des Palastes sogar Ziegelsteine einfügen, auf denen sein eigenes Aufbauwerk gepriesen und eine Verbindung zwischen ihm und dem babylonischen König hergestellt wird.

"Besatzer" marschieren mit ihren Stiefeln über sensible Ziegelreste

Da auf den Straßen in der Region um Babylon und Hilla gelegentlich immer noch Schüsse fallen, findet man vor dem berühmten Granit-Löwen von Babylon in diesen Tagen fast ausschließlich amerikanische Soldaten, die sich von ihren Kameraden neben dem klobigen Monument für das Familienalbum fotografieren lassen. Sie kommen in kleinen Gruppen, um die Ruinen zu besichtigen und wirken fast wie Touristen. Nur dass es keiner der irakischen Aufpasser wagt, "den amerikanischen Besatzern" zu verbieten, mit ihren Stiefeln quer über die empfindlichen Ziegelreste zu marschieren. (APA/dpa)