Bild nicht mehr verfügbar.

Der türkenfeindliche Comic der FPÖ rund um HC Strache wird einmal mehr bewiesen, dass Österreich ein Land ist, in dem sich Angehörige von Minderheiten offen beschimpfen und beleidigen lassen müssen

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Inoffiziell ist von politiknahen Menschen oft ganz anderes zu hören als offiziell - manchmal sogar das Gegenteil, und als Journalistin steht man dann vor dem Dilemma der Beweisbarkeit. Diesmal aber ist das, was von einer Person aus der SPÖ „off the records" über die unsägliche, primitive, türkische Einwanderer beleidigende und bedrohende „Wiener Sagen"-Broschüre der Wiener FPÖ gesagt wurde, vor allem eines: deprimierend - und sollte es, was zu befürchten ist, nicht nur eine Einzelmeinung sein, darüber hinaus auch gefährlich.

Die Frage war, was denn die SPÖ gegen die Verbreitung der aufs Papier geworfenen Aufforderung des blauen Strache-Strahlemännchens an einen blonden Buben, „Mustafa ane aufzubrennen" unternehmen solle; die Aussendung des Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Christian Deutsch, in der der FP-Comic als „reine Menschenhetze" bezeichnet wird, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht publik. Die inoffizielle Antwort lautete: „Im Grunde sind die doch nicht mehr ernstzunehmen". Natürlich sei, was in diesem Wahlkampf alles aus der blauen Propagandaküche komme, „unmöglich, inakzeptabel" - man denke nur an die FPÖ-Wahlplakate mit dem Slogan ‚Freie Frauen statt Kopftuchzwang‘". Doch Empörung über derlei Ergüsse sei aufgrund der damit einhergehenden Medienpräsenz Wasser auf den blauen Mühlen. Viel besser wäre, man fände Mittel und Wege, um diffamierende Inhalte und deren Produzenten ihrerseits „ins Lächerliche zu ziehen".

Nun, mit Letzterem ist wohl nicht zu rechnen - es sei denn von Kabarettisten oder Karikaturisten, die sich aber bekanntlich keinem Wahlkampf stellen müssen. Und auch sonst teilt sich in besagtem inoffiziellen SPÖ-Statement die ganze österreichischen Wehrlosigkeit gegen derlei Hetze mit: Das Kleinreden und Ausweichen, das Kopfeinziehen und die (oft auch selbstgefällige) innere Emigration, weil einem das Durchhalten eines solchen Konflikts unmöglich erscheint. Der Defaitismus, der nicht auf die SPÖ beschränkt ist, sondern von der weite Teile der Politik und der Gesellschaft erfasst sind. Anscheinend auch die Justiz, wo es offenbar keine Gegenkräfte mehr gibt, die stark genug wären, um zu verhindern, dass ein ORF-Journalist, der einen kritischen Beitrag über rechte Skinheads gedreht hat, wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angeklagt werden soll. Jene Justiz, die jetzt wohl über eine Anzeige gegen den türkenfeindlichen Comic wird entscheiden müssen.

Die Folgen von alldem erkennen Gäste des Landes am Besten: Menschen, die nur vorübergehend in Österreich leben. Bass erstaunt bis erschüttert sind sie, was hierzulande rechte und rechtspopulistische Politiker alles unwidersprochen sagen können, was alles auf Wahlplakaten steht - und stehen bleibt, weil nichts und niemand dafür sorgt, dass es bald wieder entfernt wird. Sie erleben Österreich als ein Land, in dem sich Angehörige von Minderheiten offen beschimpfen und beleidigen lassen müssen. Für die meisten Einheimischen hingegen ist das alles schon ganz normal.

Irene.Brickner@derStandard.at