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Der FPÖ-Comic "Sagen aus Wien" berichtet von der Türkenbelagerung - vorgeblich.

APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER

Die vor eineinhalb Wochen an alle Wiener Haushalte versendete "Wiener Sagen"-Broschüre hat Heinz-Christian Strache Verhetzungsvorwürfe eingebracht. In Reaktion auf eine Comiczeichnung, auf der eine Strache ähnelnde Figur einen Buben "eine Hasse" als Belohnung verspricht, wenn er "dem Mustafa ane aufbrennt", wurde der FPÖ-Chef unter anderen von Wiens Grünen-Chefin Maria Vassilakou Wien angezeigt. Doch ob die Anzeige - und eine Reihe weiterer - in der Causa Erhebungen und Gerichtsverfahren wegen des Verhetzungsparagrafen 283 StGB folgen, wird laut der Wiener Staatsanwaltsprecherin Michaela Schnell woanders entschieden: "Die Sache ist an die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt weitergegangen. Dorthin, wo schon ein weiteres Verfahren gegen Strache läuft."

Dabei handelt es sich um die ORF-Videobänderaffäre, deren Bearbeitung am Gerichtsstandort Wiener Neustadt bereits zu einiger Kritik geführt hat. In Österreich macht sich der Verhetzung schuldig, wer "zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt". Das Strafmaß beträgt bis zu zwei Jahre. Der bisher zögernd angewendete Paragraf soll bis Ende November novelliert werden.

In dem neuen Gesetz ist erstmals auch "Aufruf zu Gewalt" dezidiert erwähnt. Die Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf glaubt, dass es leichter sein wird, wenn das Gesetz beschlossen ist, gegen einen Comic wie jenen der FPÖ Klage zu erheben. Offen ist bei dem neuen Gesetz, ob der Kreis zu Schützender auf Personen ausgeweitet wird, die wegen ihres Geschlechts, einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung bedroht werden. Denn die Verhetzungsparagraf-Novelle ist mit der sehr umstrittenen Verschärfung des Terrorismuspräventionsgesetzes junktimiert, die von Grünen und SPÖ abgelehnt wird - unter anderem aus Furcht um das journalistische Redaktionsgeheimnis.

Herabwürdigung von Religion

Auch wenn Österreich den EU-Rahmenbeschluss nicht rechtzeitig umsetzt, wird wenig passieren, denn die EU hat (anders als bei Richtlinien) keine Sanktionsmechanismen. Angewendet werden kann hierzulande aber auch der Paragraf 188 gegen die "Herabwürdigung religiöser Lehren". Der steirische FPÖ-Chef und Nationalratsabgeordnete, Gerhard Kurzmann, wurde wegen des Online-Spiels Moschee Baba nach beiden Paragrafen angezeigt. Nach der Aufhebung seiner Immunität als Mitglied des Parlaments ermittelt derzeit der Staatsanwalt gegen ihn. Ob Anklage erhoben wird, wird erst in zwei bis drei Monaten fest stehen.

Kurzmanns Parteifreundin, die Grazer FPÖ-Politikerin Susanne Winter, wurde nach ihrer Beschimpfung des Propheten Mohammed 2009 in beiden Anklagepunkten rechtskräftig verurteilt. (bri, cms, awö, DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2010)