Der Blick in die Zukunft stimmt wenig optimistisch: Ein weiteres Stück Regenwald ist dem Feuer zum Opfer gefallen.

Foto: WWF/Mark Edward

Der Vergleich zwischen der zur Verfügung stehenden Biokapazität und dem "Fußabdruck" des Verbrauchs im globalen Durchschnitt und in Österreich: Beide liegen im Minus, Österreich allerdings auf deutlich höherem Niveau.

Grafik: PLattform Footprint nach Daten des Global Footprint Network 2010

Monotonie, wo vorher Vielfalt herrschte: Eine Palmölplantage aus der Luft betrachtet. Heute gibt es pro Kopf nur noch halb soviel biologisch produktives Land wie vor einem halben Jahrhundert.

Foto: Tim Laman/WWF

Planetare Immobilienanzeige: Erweiterungsfläche gesucht - gebraucht werden drei Kontinente, Vollausstattung (Flora, Fauna, nachwachsende Rohstoffe, Kohlenstoffsenken, fließend Süßwasser), dazu ein Ozean - idealerweise in Pazifikgröße, intakt. Gebotener Gegenwert: Erhaltung des Status quo, kein weiterer Raubbau an den Ressourcen.

... auf derlei Gedanken kommt man unweigerlich, liest man den "Living Planet Report 2010", die aktuelle Ausgabe der alle zwei Jahre von der Umweltorganisation WWF gemeinsam mit der Zoologischen Gesellschaft von London und dem Global Footprint Network erstellten Studie über die globale ökologische Lage. Ein Überblick über den Verlust an Biodiversität ist darin ebenso enthalten wie verschiedene Varianten des "ökologischen Fußabdrucks" der Menschheit. Dieser zeigt, wie viel produktive Fläche (zu Land ebenso wie zu Wasser) benötigt wird, um alle unsere Ressourcenbedürfnisse inklusive der Energieversorgung und Entsorgung von CO2 zu gewährleisten. 

Make room! Make room!

Die erschreckende Gesamtbilanz: Die Menschheit lebt auf Pump - bei unserem derzeitigen Lebensstil müsste die benötigte Fläche eineinhalbmal so groß sein wie diejenige, die die Erde zur Verfügung stellen kann. Manche werden sich erinnern: Der sogenannte Welterschöpfungstag - also der Tag, an dem alle Ressourcen, die die Erde im Verlauf eines Jahres erneuern kann, verbraucht wurden - fiel heuer auf den 21. August - einen satten Monat früher als im Vorjahr. Denn die Schere geht immer weiter auseinander: In den 2030er Jahren würden bereits zwei Erden benötigt, in den 2050ern wären es 2,8.

Unser nach Science Fiction klingender Lösungsvorschlag mit den Zusatzkontinenten ist aber nicht nur keine Lösung ... tragischerweise handelt es sich dabei auch um keine Science Fiction, eher schon um eine Beschreibung der Realität. Denn der aktuelle Wert von 1,5 ist nur eine Schnittmenge, zustande gekommen dadurch, dass die größten Ressourcenverbraucher - Nordamerika, Westeuropa, Australien und die Erdöl-reichen Länder des arabischen Raums - ihre Probleme seit langem in andere Weltregionen exportieren. Würde jeder Mensch wie ein Bürger der USA oder der Vereinigten Arabischen Emirate leben, müsste die Erde nämlich bereits das 4,5-Fache dessen an Biokapazität zur Verfügung stellen, was sie wirklich erbringen kann. Wäre jeder Erdenbürger ein Österreicher, müsste unser Planet ein Drilling sein.

Problem-Export

Ein Beispiel dafür, wie Länder in zunehmendem Maße auf die natürlichen Ressourcen anderer Nationen zurückgreifen, ist die Umwandlung von Wald- in Kulturland. In letzter Zeit treibt nicht zuletzt die - durchaus ökologisch motivierte - Nachfrage nach Biotreibstoffen die Abholzungen voran, um Platz für Ölpalmen-Plantagen zu schaffen. Insgesamt geht jährlich etwa die 1,5-fache Fläche Österreichs, also rund 130.000 Quadratkilometer, durch die Umwandlung in Weide- und Anbauflächen verloren. Der gesamte ökologische Fußabdruck beträgt heute 18 Milliarden globale Hektar oder 2,7 Hektar pro Person. Die Kapazität des Planeten ist aber gerade mal 12 Milliarden Hektar oder 1,8 Hektar/Mensch.

Ein anderes Beispiel ist der Wasserverbrauch: Dazu muss nämlich nicht nur das gezählt werden, was aus diversen Hähnen von der Industrie bis zu den Privathaushalten geflossen kommt - eingerechnet werden muss auch das sogenannte "virtuelle Wasser": Also die Wassermenge, die für Herstellung und Transport von Produkten verbraucht wurde, die bei uns konsumiert werden. Ein bekanntes Beispiel: Wieviel Wasser fließt in eine Tasse Kaffee? Korrekte Antwort: 140 Liter. Auf diese Weise hinterlassen reiche Nationen der Nordhalbkugel einen wesentlichen Anteil ihres "Wasser-Fußabdrucks" in Ländern wie Brasilien, der Elfenbeinküste oder Indonesien.

Insgesamt nehmen aber die Treibhausgase den größten Anteil am ökologischen Fußabdruck ein; diese sind seit Anfang der 1960er Jahre auf den elffachen Wert stiegen. Auch die industrielle Fischerei hat sich in den letzten Jahrzehnten zu deinem dramatischen Problem für die Natur gemausert: 70 Prozent der Fischgründe weltweit sind bereits stark geschädigt, großen Fische werden immer seltener, was die Fangflotten zwingt, sich immer mehr auf kleinere Fische und Krill, die Nahrungsgrundlage für die Meeresfauna, zu konzentrieren.

Nur scheinbar heile Welt

Ein mit Blick auf den oben beschriebenen Problem-Export fast schon zynisches Ergebnis des Reports zeigt sich im "Living Planet Index", einem Gradmesser für die biologische Vielfalt, gemessen an einigen tausend Wirbeltier-Populationen. Global gesehen hat sich dieser in den vergangenen 40 Jahren um 30 Prozent verschlechtert, in den tropischen (und wirtschaftlich weniger entwickelten) Breiten sogar doppelt so stark. Was umgekehrt tatsächlich bedeutet, dass sich der Index in den gemäßigten (und tendenziell besser entwickelten) Breiten verbessert hat.

Nicht unbedingt gleich ein Anlass, sich auf die umweltschützerische Schulter zu klopfen. Denn die Verbesserung ist relativ zu einem ganz anderen Ausgangsniveau zu sehen: Der Report kann nicht weiter als einige Jahrzehnte zurück extrapolieren - es ist anzunehmen, dass die Phase enormer Verluste an der Biodiversität in Regionen wie der unseren einfach in historisch früherer Zeit stattfand. Die in den Tropen liegenden Schwellen- und Entwicklungsländer unserer Tage - immer noch Horte der Artenvielfalt - vollziehen diese Entwicklung nun nach, vorangetrieben nicht zuletzt durch unsere eigenen anhaltenden Ressourcenbedürfnisse.

Enorme Herausforderungen für die Zukunft

Was bedeutet das für die Zukunft? Der WWF-Report skizziert mehrere Szenarien, die zeigen, wie die Menschheit mit den anstehenden Problemen umgehen könnte. Dass die Folgen eines "Business-as-usual"-Weges in die Zukunft geradewegs in den Abgrund führen, liegt auf der Hand: Ab 2030 würde die Menschheit jedes Jahr Ressourcen und Land im Gegenwert von zwei Planeten und ab 2050 von knapp über 2,8 Planeten verbrauchen. Doch es ginge auch anders: Nach Berechnungen des WWF wäre es selbst bei gleichbleibendem Technikstand durch eine umfassende Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden, Geräten, Verkehrsmitteln und Industrieanlagen sowie durch die Umstellung auf erneuerbare Energieträger möglich, den globalen Energieverbrauch im Jahr 2050 unter den des Jahres 2005 zu drücken.

Eine solche Entwicklung hätte allerdings massive Auswirkungen auf andere Bereiche des "ökologischen Fußabdrucks": Größere Anbauflächen für Biotreibstoffe ließen den Wald schneller schrumpfen und hätten darüber hinaus Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion. Die im "Living Planet Report" vorgestellten Modelle zeigen, dass der Mensch im Jahr 2050 - selbst bei einem sehr kleinen Kohlenstoff-Fußabdruck - immer noch 1,3 Planeten benötigen würde, wenn die prognostizierten 9,2 Milliarden Menschen sich in einer Weise ernährten, die der durchschnittlichen malaysischen Kost von heute vergleichbar ist.

Wenn wir diese Ernährung durch die des heutigen Durchschnitts-Italieners ersetzen, kommen wir gar auf zwei Planeten. Selbst die Umwandlung von Wäldern schafft nicht ausreichend Landflächen, um die Lebensmittel anzubauen, die für eine italienische Ernährungsweise benötigt werden. Die Prognosen zeigen, dass es einer globalen koordinierten Anstrengung bedarf, um die Flächennutzung für die Produktion von Lebensmitteln, Brennstoff, Fasern und Biomasse zu optimieren. Wenn wir in Zukunft auch noch genügend Lebensmittel für die gesamte Erdbevölkerung erzeugen wollen - und das in nachhaltiger und für den Planeten und seine Bewohner schonender Weise, muss der Mensch insgesamt sowohl seine Ernährungsweise überdenken als auch erhebliche langfristige Investitionen in die Steigerung der Biokapazität tätigen. (jos/tberg)