Das Ergebnis der jüngsten Gemeinderats- und Landtagswahl in Wien setzt ein deutliches rassistisches Zeichen. Ebenso alarmierend wie der Erfolg der rechtsextremen Positionen der FPÖ sind die zahlreichen populistischen Analysen von Politikern, Meinungsmachern und anderen Experten, die unwidersprochen verbreitet werden.

Ob Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt - Migration wurde und wird in all diesen Lebensbereichen als Problemfeld inszeniert. Es gehört mittlerweile zum guten Ton in der öffentlichen Debatte, über Migration und Migranten als Konfliktquelle zu sprechen. In Österreich herrscht offenbar ein breiter Konsens darüber, dass auf gesellschaftliche und soziale Probleme rassistische Antworten gegeben werden können. Wir stellen uns gegen diesen Konsens!

Der Anspruch, die Debatte zu versachlichen, greift zu kurz. Wir akzeptieren nicht, dass zwar ständig über Migranten gesprochen und über sie Bescheid gewusst wird, sie aber aus Entscheidungspositionen ausgeschlossen bleiben - unabhängig davon, ob sie längst österreichische Staatsbürger/innen sind oder nicht. Ein verheerendes Missverhältnis drückt sich darin aus, dass auch diese Wahl mit dem Thema Migration entschieden wurde, und zwar unter Ausschluss derjenigen, die in Wien leben und hier nicht wählen dürfen.

Gleiche Rechte für alle

Längst ist hierzulande eine Klarstellung fällig: Migration bildet unsere Realität. Die Menschen, die hier leben, sind keine Fremden. Die Sprachen, die hier gesprochen werden, sind keine Fremdsprachen. Alle Jugendlichen, die hier leben, sind unsere Jugendlichen. Nach den Ergebnissen der Wiener Wahl wollen wir daher noch weniger als zuvor über Integration reden. Denn bereits das ständige Sprechen über Integration reproduziert ein angebliches Anderssein, stellt Teile der Gesellschaft unter Generalverdacht und übersieht die Vielfältigkeit der Lebensformen. Stattdessen wollen wir soziale und politische Verhältnisse thematisieren, die tagtäglich Ungleichheit zwischen Menschen neu herstellen.

In öffentlichen Debatten werden ökonomische und gesellschaftliche Ausschlüsse mehrheitlich ignoriert bzw. rassistisch umgedeutet. Tatsache ist: Die gegenwärtigen Strukturen schaffen im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt, hinsichtlich politischer Mitsprache oder Selbstorganisierung eine Segregation, durch die Mehrheitsösterreicher/innen bevorzugt werden.

Ausgeschlossen

Viele Migranten sind vom Wahlrecht ausgeschlossen, es wird verschleiert, wie Migranten der Zugang zu Bildung, Wohnräumen und Arbeitsplätzen, zu öffentlichen Institutionen und anderen gesellschaftlichen Räumen erschwert wird. Islamfeindlichkeit bietet einen wesentlichen Anknüpfungspunkt für mediale Auseinandersetzungen, denn Islamfeindlichkeit wird nicht als Rassismus anerkannt.

Dies geschieht im Kontext einer globalen Umstrukturierung der Wirtschaft, deren negative Effekte vor allem Arbeitnehmer/innen und Menschen mit geschwächten Rechten massiv treffen. Es wird der Versuch unternommen, über das Thema Migration soziale Positionen gegeneinander auszuspielen und Arme und Migranten als unproduktiven Kostenfaktor darzustellen. Stattdessen sollte gegen Verarmung, Prekarisierung und den Verlust sozialer Rechte gekämpft werden, die immer mehr Menschen betreffen.

Migration findet statt

Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen. Und nicht nur das: Migranten und Migrantinnen fordern ihre Rechte ein, Migration ist somit eine emanzipative Bewegung. Das Problem sind jene Politiken, die Armut und Rassismus produzieren.

Wir lehnen entschieden jede Politik ab, die gesellschaftliche Verhältnisse nach einer Kosten/Nutzen-Logik durchrechnet und Teile der Gesellschaft zur Ausschusspopulation erklärt.

Wir fordern eine Arbeitsmarktpolitik, die keine Ausschlüsse produziert, sondern alle in der Gesellschaft mit einbezieht und fördert.

Wir fordern eine Bildungspolitik, die von der Realität der Mehrsprachigkeit und Transkulturalität in den Kindergärten und Schulen ausgeht.

Wir wenden uns entschieden gegen eine Einteilung in gute und schlechte Migranten, während man die Gesetze systematisch verschärft und das Recht auf Asyl de facto abgeschafft wird.

Wir fordern, dass alle Menschen, die hier leben, die gleichen Möglichkeiten haben, an der Gesellschaft sowie an politischen Entscheidungen mitzuwirken.

Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der es selbstverständlich ist, dass alle Menschen die gleichen Rechte teilen. (DER STANDARD-Printausgabe, 10.11.2010)