Wien - ORF-Kommunikationschef Pius Strobl hat sich am Dienstag in einer Stellungnahme für das von ihm angeordnete Mitschneiden von Direktoren- und Journalistengesprächen entschuldigt. "Ich habe einen Fehler gemacht. In der Fülle der Entscheidungen kann das passieren", sagte Strobl zur APA. Diesen habe er "sofort korrigiert". Kurze Zeit später erstattete FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger Anzeige gegen Strobl und stellte den Verdacht in den Raum, dieser habe auch den Stiftungsratssaal abhören lassen. Heftige Kritik gab es von ORF- und Medienjournalisten, Vizekanzler Josef Pröll (V) sprach zudem von einem "Führungsvakuum der Sonderklasse".

"Negative Geschichten schon im Kopf"

Strobl ging mit der Entschuldigung an die Öffentlichkeit, nachdem er mit neuen Erklärungen zu den Mitschnitten gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" neuerliche Kritik auf sich gezogen hatte. Aufzeichnungen hätten zur "internen Bewertung" gedient, sagte er der Zeitung. Außerdem habe er sehen wollen, was die Journalisten aus den O-Tönen der Direktoren machen. "Bedauerlicherweise gibt es ja einige, die haben ihre negative Geschichte gegen den ORF immer schon im Kopf - ganz gleich, ob etwas positives gesagt wird."

Dies führte vor allem unter Journalisten für Reaktionen: Diese Aussagen legen nach Meinung der Medienjournalisten den Verdacht nahe, dass es nicht - wie zunächst behauptet - um einen internen Bericht für die ORF-Mitarbeiter ging, sondern darum, die Arbeit der Medienjournalisten und der Direktoren zu kontrollieren. "Es ist völlig indiskutabel, dass uns und unserer Arbeit im ORF nachspioniert wird", so der Verein Medienjournalismus Österreich (MÖ), dem Journalisten der meisten Tageszeitungen, Wochenmagazine, Nachrichtenagenturen und Fachmedien angehören. "Wir finden es inakzeptabel, wenn O-Töne, die in informellen Gesprächen zustande kommen, von Pressestellen kommentarlos aufgezeichnet werden", erklärten die Medienjournalisten. "Hier wurden informelle Hintergrundgespräche belauscht."

"Besonders peinliche 'Spitzelaktion'"

Harsche Worte gab es von den ORF-Journalisten. Der Redakteursrat sprach von einer "besonders peinlichen 'Spitzelaktion'", wie er in einer Aussendung schrieb. "Es gibt keine deutlichere Disqualifikation eines 'Kommunikationschefs' als verantwortlich dafür zu sein, dass Tonaufzeichnungen von informellen Gesprächen, die Medienjournalisten mit Geschäftsführungsmitgliedern führten, hergestellt wurden."

BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner forderte erneut den Rücktritt Strobls. Mit dem Interview in der "Süddeutschen Zeitung" habe dieser "endgültig jede Grenze des Akzeptablen überschritten".

FP-Stiftungsrat Steger sieht unterdessen den Verdacht des "Missbrauchs von Tonaufnahme- und Abhörgeräten" laut Strafgesetzbuch gegeben. Weiters stellte er in den Raum, dass Strobl Stiftungsratssitzungen abgehört habe. ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz, der die Debatte ins Rollen gebracht hatte, ließ sich eine mögliche Anzeige als Betroffener am Dienstag noch offen. Abhängig will er allfällige Schritte unter anderem davon machen, was bei der kommenden Geschäftsführungssitzung am Donnerstag beschlossen werde.

Die Verwerfungen in der ORF-Führungsriege haben am Dienstag auch die Regierung beschäftigt. Vizekanzler Pröll ortete bezeichnete die Situation als "sehr beunruhigend und besorgniserregend": "Ich muss feststellen, dass das Medienflaggschiff des Landes in einer schweren Schräglage ist, was die Führung betrifft", sagte er am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Kanzler Werner Faymann (S) zeigte sich weniger beunruhigt, verteidigte die politische Besetzung des Stiftungsrates und betonte, dass er sich in einzelne Personalentscheidungen nicht einzumischen gedenke. (APA)