Bild nicht mehr verfügbar.

"Ivan S., Vergewaltiger und bald Schweizer?": Drastische Plakate dominierten den Kampf um Stimmen in sämtlichen Kantonen.

Foto: Reuters/Flauraud

Bild nicht mehr verfügbar.

Die SVP-Plakate haben Kontinuität

Foto: REUTERS/Christian Hartmann

Für eines der strengsten Ausländergesetze Europas wurde am Sonntag in der Schweiz votiert.

*****

Bern - Im Kampf um die Stimmen standen Emotionen im Vordergrund. Auf Plakaten prangten schwarze Schafe, die kriminelle Ausländer repräsentieren sollten sowie angebliche ausländische Vergewaltiger, die kurz vor der Einbürgerung stünden.

Die Rechnung ging auf: 53 Prozent aller Abstimmenden - gleich viele wie im November 2009 für ein Minarettverbot - sprachen sich in der Schweiz am Sonntag für die von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) und anderen konservativen Gruppierungen initiierte "Ausschaffungsinitiative" aus. Auch die Mehrheit der Kantone stimmte für den Entwurf, dem somit verfassungsändernder Rang zukommt. Eine stärkere Besteuerung Reicher wurde gleichzeitig abgelehnt.

Die Pläne für eines der strengsten Ausländergesetze in Europa legen fest, dass alle Nicht-Schweizer - EU-Bürger ebenso wie Drittstaatangehörige -, die sich bestimmter Delikte schuldig gemacht haben, ausgewiesen werden. Auch der Missbrauch von Sozialleistungen fällt darunter. Bisher lagen Ausweisungen im Ermessen der Kantone und der zuständigen Richter.

In Österreich und anderen europäischen Staaten sind vor Ausweisungen Einzelfallprüfungen vorgeschrieben. So sollen Menschenrechtsverstöße verhindert werden. "Das heutige Votum kann die Schweiz in eine international schwierige Lage bringen" , kommentierte der Wiener Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, "automatische Ausweisungen verletzen die europäische Menschenrechtskonvention."

So hatte auch das Argument der "Ausschaffungsinitiativen" -Gegner gelautet. Doch ihr gleichzeitig abgestimmter, vom Parlament in Bern eingebrachter Vorschlag mit dem Zusatz, dass vor Ausweisungen "die Grundrechte, die Grundprinzipien der Bundesverfassung, des Völkerrechts und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit" beachtet werden müssten, erhielt keine Mehrheit. Diesen "schwammigen Formulierungen" gehe "Rechtssicherheit" ab, Bürokratie werde ausgebaut, entgegnete die SVP .

Nein zur Integration

Der Parlamentsentwurf hätte zudem Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern als Aufgabe aller Kantone und Gemeinden festgelegt; die Schweiz hat mit 21,5 Prozent einen hohen Ausländeranteil, in Österreich waren es zum Vergleich 2008 rund zehn Prozent. "Mit dem Integrationsartikel würden neue Staatsaufgaben geschaffen, welche zu weiteren Ausgaben führen werden" , hatte die SVP dies abgelehnt.

Jetzt ist nach den Regeln der eidgenössischen direkten Demokratie die Bundesversammlung am Wort. Sie muss beschließen, welche Delikte auf der Liste stehen, die das Verlassen des Landes erzwingen. Die "Ausschaffungsinitiative" plädiert für einen langen Katalog: Mord, Menschenhandel und Sexualdelikte sollen ebenso auf der Liste stehen wie Raub, Einbruch und Drogenhandel. (bri/DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2010)