Jetzt ist die Finanzkrise also auf der untersten politischen Ebene angekommen: Allerorts kracht es in den Gemeindebudgets. Im Gegensatz zur Bankenkrise oder zu den EU-Finanznöten ist das kein abstraktes Problem. Jeder kann es sehen, wenn die Straßen nicht mehr ordentlich saniert werden, in den Schulen der Putz bröckelt oder das Freibad zusperrt. Strukturerhaltende Maßnahmen fressen den Großteil der Budgets; Gemeindepolitik wird zur Pflichtübung, für die Kür ist schlicht kein Geld da.

Natürlich ist da oder dort die Finanzmisere hausgemacht, und auch die Gemeinden müssen dazu angehalten werden, effizient zu wirtschaften. Doch während die Republik erzittert, wenn bestimmte Landeshauptleute etwas aushecken, verhallen die Hilferufe der "kleinen" Bürgermeister. Dabei treffen sie jene Entscheidungen, die jeden Bürger - vom Kleinkind bis zum Pensionisten - betreffen.

Je ländlicher die Gegend, desto mehr Funktionen erfüllen ihre Politiker: Für ihre Wähler sind sie manchmal Beichtvater und manchmal Sozialarbeiter, für ihre Parteien Stammtischadvokat jeder (bundes)politischen Entscheidung. Dass ihnen selbst kaum Spielraum bleibt, ist nicht zuletzt für die politische Sozialisation vieler junger Menschen fatal, die Politik oft als abgehobenes Machtspiel wahrnehmen. Den Gemeinden mehr Möglichkeiten zu geben, den Lebensraum ihrer Bürger zu gestalten, wäre ein wichtiges Mittel gegen den grassierenden Politikverdruss.
 (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.12.2010)