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Ob in Germany oder Austria. Überall wird nach dem "Topmodel"gesucht und viele schauen zu - oder nur die "Unterschicht"?

EPA/JOERG CARSTENSEN

Die neue Staffel "Austria´s next Topmodel" war kaum gestartet, schon gab es einen handfesten Skandal. Die 21-jährige Optikerin Magalie musste nicht wegen fehlendem "Model-Mind" die Sendung verlassen, sondern wegen rassistischen Verbal-Attacken gegen ihre Mitbewerberin Lydia. Konsequenterweise sollte übrigens nicht nur die junge Frau der Sendung weichen, sondern auch die Showeigene "Laufstegtrainerin" Elvira Geyer, die sich in einem Puls 4-Interview über die ästhetischen Nachteile "zu vieler Einflüsse von zu vielen Völkern" auslässt (mehr dazu: Hilpold im Anzug). Warum darf sie eigentlich bleiben?

Es ist also offenkundig: Unglaublicher Rassismus (von Sexismus brauchen wir gar nicht anfangen) bei "Austria´s next Topmodel". Umso mehr muss man sich wundern, mit welchen plumpen Verallgemeinerungen solche Fernsehereignisse quittiert werden, denn einmal mehr ist - ohne mit der Wimper zu zucken - von "Unterschicht-Fernsehen" die Rede.

Arbeitslose oder Einkommensschwache?

Welchen Zweck bedient die in diesen Zusammenhängen offensichtlich abwertend gemeinte Rede von "Unterschicht"? Und vor allem: Wer ist damit genau gemeint?

Sitzen da Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze vor "Austria´s next Topmodel"? Sind es Arbeitslose, Illegalisierte, Menschen, die Bildung ausschließlich innerhalb der Pflichtschulzeit genossen haben, oder sind es ArbeiterInnen? Oder ein Mensch, der all diese "Kriterien" erfüllt?

Dass also keineswegs klar ist, wer und was diese Unterschicht ist, zeigt sehr deutlich, dass sich die "Unterschicht-Fernsehen"-Naserümpfer nur einer diffusen Vorstellung oder Idee einer gesellschaftlichen Klasse hingeben, zu der sie - und das ist des Pudels Kern - nicht gehören wollen.

Wenn also schon die KonsumentInnen des "Unterschicht-Fernsehen" nicht so eindeutig auszumachen sind, so ist wenigsten ziemlich eindeutig, wo sich jene sehen, die dennoch gern von dieser ominösen Gruppe sprechen: Im sozialen Raum ganz oben, wo es nicht nur ökonomisch schön ist, sondern natürlich auch kulturell der "gute Geschmack" vorherrscht.

Vor allem wenn über Populärkultur gesprochen, geschrieben und diskutiert wird, ist das aber mittlerweile doch ein fades Spiel, in dem es schlicht und einfach um soziale Distinktion geht. Und weil ökonomische Kategorien längst nicht mehr zur Distanznahme reichen, unterstellt man KonsumentInnen diverser TV-Formate eine kulturelle Versautheit, und dass das als eine homogene Masse vorgestellte Publikum natürlich zu keiner kritischen Partizipation fähig ist. Vielmehr frisst es alles, was ihm vorgesetzt wird.

Ekel vor der Masse

Gerade im Zusammenhang mit dem Populärkultur-Medium schlechthin, Fernsehen, kommt diese Diskreditierung mittels Kulturgüter immer wieder zum Zug. Sobald viele, oder gar Massen, konsumieren, muss es wohl "die Unterschicht" sein - eine weitere Möglichkeit, die soziale Ungleichheit zu festigen.

Dennoch kennen die selbsternannten kritischen MedienkonsumentInnen den sogenannten "Trash" mindestens genauso im Detail, wie die vermeintliche "Unterschicht". Dass die einen affirmativer konsumieren als die anderen ist schlichtweg Schwachsinn. Viele ZuschauerInnen finden in diversen Sendungen etwas, was für sie/ihn interessant, sinnvoll, nachvollziehbar oder einfach nur unterhaltend ist. Und Sendungen wie "Austria´s next Topmodel" geben natürlich genügend Anlass, darüber zu diskutieren, was das ist. Dem Rassismus aber noch Klassismus nachzuschieben ist jedenfalls keine gute Idee. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.1.2011)