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Die legendäre 14 ist zurück in Amsterdam.

Foto: Reuters

Die 22 Jahre währende Cruijff-lose Zeit bei Ajax Amsterdam ist zu Ende. Wie am Freitag bekannt wurde, kehrt der legendäre Fußball-Revolutionär als Mitglied einer neu eingerichteten technischen Kommission zum niederländischen Rekordmeister zurück. Neben Cruijff sind dort auch andere ehemalige Ajax-Spieler vertreten, etwa Piet Keizer, ebenfalls Teil der großen Mannschaft aus den frühen 1970er Jahren.

Strukturreform soll Abwärtstrend stoppen

Die Installierung dieses Gremiums ist Teil und Folge einer größer angelegten Reform-Initiative, die Ajax - wenn auch nicht zu altem - so doch zu größerem sportlichen Erfolg verhelfen soll. Schließlich wartet der 29-fache Meister schon seit sechs Jahren auf einen nationalen Titel. Cruijff selbst hatte als grantelnder Kommentator in seiner Zeitungskolumne eine Neuorientierung eingemahnt, und im Herbst 2010 angesichts des alarmierenden Leistungseinbruchs des Teams unter dem damaligen Trainer Martin Jol die mangelhafte Einbindung von Praktikern in der Klubleitung kritisiert. Eine Strukturveränderung sei dringend notwendig. Ajax müsse wieder Fußball atmen, forderte Cruijff - und sein Ruf wurde gehört: die von ihm favorisierten Kandidaten, allesamt Ex-Kollegen, wurden in den "Rat der Mitglieder" gewählt, der die Klubführung im Extremfall zum Abtritt zwingen kann.

Cruijff wurde als Spieler mit Ajax acht Mal Meister und gewann dreimal den Europapokal der Meister. Als Trainer führte er die Amsterdamer mit einem Erfolg im Cup der Cupsieger 1987 wieder an die europäische Spitze heran, ehe er im Jahr darauf im Streit schied und nach Barcelona wechselte. Dort gilt er als Architekt des bis heute gültigen Erfolgsmodells. Auch nach seinem Rücktritt blieb Cruijff den Katalanen als Berater erhalten und galt als graue Eminenz des Klubs. Als Sandro Rosell Joan Laporta im Vorjahr als Präsident ablöste kühlte die Beziehung jedoch ab. Rosell erkannte dem Niederländer gar den erst kurz zuvor verliehenen Titel des Ehrenpräsidenten wieder ab. Da erinnerte sich Cruijff seiner alten Liebe in Amsterdam.

Wie lange geht das gut?

Die Position, die der 63-Jährige nun einnimmt ist zwar formal nicht sonderlich bedeutend, was über den wahren Einfluss Cruijffs aber natürlich nichts aussagt. Allein die Übernahme einer offiziellen Funktion ist von immenser symbolischer Wirkung und kann Ajax auch im ökonomischen Bereich neue Möglichkeiten erschließen. Wer sich gegen ihn stellt, wird in Amsterdam jedenfalls künftig nicht viel zu lachen haben. Außerdem schloss Cruijff nicht aus, eventuell auch einen Sitz im Aufsichtsrat zu übernehmen. Wie seine Rolle in Zukunft genau aussieht, soll in den nächsten Wochen präzisiert werden.

Ein Fragezeichen schwebt allerdings über der Dauerhaftigkeit seines Engagements. Bereits in der Vergangenheit stand Cruijff mehrmals kurz vor einem Engagement bei Ajax, zog sich aber jeweils rasch wieder zurück. Als starke Persönlichkeit bekanntlich nicht ganz frei von selbstherrlichen Tendenzen, gilt Cruijff nicht gerade als Mann des Kompromisses. Das zeigte sich etwa auch vor zwei Jahren, als es zum Konflikt mit dem eben neu bestellten Trainer Marco van Basten kam. Dieser fand Cruijffs Forderung, mehr oder weniger alle Jugend-Trainer auf einen Schlag zu entlassen, keine so gute Idee. Die Neuausrichtung der legendären Ajax-Nachwuchsabteilung bleibt im übrigen auch weiterhin Liebkind Cruijffs.

Die technische Kommission unter seiner Leitung soll der Klubführung in sportlichen Fragen in beratender Funktion zur Seite stehen. Ajax kommt seit einiger Zeit ohne Manager oder Sportdirektor aus, was mancherorts als eine mögliche Ursache für Fehlentwicklungen ausgemacht wurde. Die Transferpolitik von Van Basten und Jol jedenfalls brachte nicht bloß fußballerische Stagnation, sondern den Klub auch an den Rand des finanziellen Kollaps. In diesem Bereich Sachverstand und Kontinuität zu erhöhen ist ein vordringliches Ziel der Reformer. Cruijff hatte die seiner Meinung nach viel zu hohe Zahl an Vertragsspielern bei Ajax als ein Beispiel für die Orientierungslosigkeit im Klub angeführt.

Hiddink soll kommen

Die Installierung eines Sportdirektors steht auf der Agenda also weit oben, ein Mann mit großem Namen und ebensolcher Reputation soll es werden. Im Gespräch ist etwa Co Adriaanse, Ex-Salzburg-Trainer, der derzeit die Olympiamannschaft Katars betreut. Der ebenfalls ins Spiel gebrachte Louis van Gaal gilt als unwahrscheinliche Variante, da Cruijff und er nicht miteinander können.

Bleibt als Favorit Guus Hiddink. Ajax soll beim 64-Jährigen bereits im letzten Herbst vorgefühlt haben und es ist bekannt, dass der Weltenbummler gerne auch einmal in Amsterdam arbeiten würde. Dazu kommt, dass seine Position als türkischer Teamchef nach enttäuschenden Resultaten über kurz oder lang in Frage gestellt werden könnte. Allerdings ist Hiddink ein gefragter Mann: auch Chelsea soll an seinen Diensten interessiert sein. In London ist ebenfalls die Stelle des technischen Direktors zu besetzen, da Frank Arnesen im Sommer den Klub verlassen wird.

Sollte ein Mann vom Kaliber Hiddinks bei Ajax das Ruder übernehmen, hätte das unweigerlich Auswirkungen auf die interne Hierarchie. Geschäftsführer Rick van den Boog müsste dann seine Befugnisse in diesem Bereich an den neuen, von Cruijff installierten Machthaber abtreten. Ob Van den Boog, der sich vor zwei Jahren noch skepisch über eine Einbindung Cruijffs geäußert hatte, diese Zurückstutzung hinnehmen würde, bleibt abzuwarten.

De Boer will zuhören

Trainer Frank de Boer dagegen freut sich offiziell auf die Zusammenarbeit mit der neuen Beratergruppe. "Da sitzt viel Fußballsachverstand drin und ich werde mir sicher Zeit nehmen, wenn Cruijff oder Keizer mit mir reden wollen. Ich wäre dumm, das nicht zu tun. Johan sagt sicher keinen Blödsinn."  Entscheiden will er schlussendlich aber weiterhin selbst.

De Boer, der im Dezember seinen Job als Co-Trainer der niederländischen Nationalmannschaft aufgab und als Nachfolger Jols nach Amsterdam übersiedelte, glaubt übrigens trotz dessen niedriger Frustrationstoleranz nicht an einen cruijffschen Kurzauftritt. "Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass niemand auf ihn hören sollte. Es geht schließlich um das Interesse von Ajax." (Michael Robausch aus Eindhoven)