Wien - Wer in Österreich sein Kind in einen öffentlichen Kindergarten schickt, der muss sich damit abfinden dass ein Kreuz an der Wand hängt, wenn die Mehrheit der Kinder in der Gruppe ein christliches Religionsbekenntnis hat. So zumindest sieht es der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem heute publizierten Urteil.

Er entschied darin über die Klage eines bekennenden Atheisten, der das konfessionslose Aufwachsen seiner Tochter durch die Veranstaltung religiöser Feiern und die Anbringung von Kruzifixen von Seiten des Kindergartens gestört und das Recht auf Glaubensfreiheit - und damit das Recht auch ohne religiöses Bekenntnis aufzuwachsen - verletzt sah.

Der niederösterreichische Vater wollte, dass seine Tochter "bis zur Religionsmündigkeit ohne religiöses Bekenntnis, jedoch weltoffen und dem Pluralismus verpflichtet" aufwachsen kann (derStandard.at berichtete über die Klage, die im Dezember 2009 eingebracht wurde). Der Kläger sah durch die Anbringung des Kreuzes Art 9 EMRK und Art 14 StGG verletzt. Außerdem wurde beklagt, dass durch die Veranstaltung religiöser Feiern wie etwa Erntedank- oder Nikolofest im Kindergarten eine "konfessionslose Erziehung" des Kindes verunmöglicht wurde.

Keine "Präferenz für bestimmte Religion"

Das Anbringen von Kreuzen in Kindergärten ist laut VfGH zulässig. Auch vor dem Hintergrund der Trennung von Kirche und Staat sei dies nicht als "Präferenz des Staates für eine bestimmte Religion" zu werten, hieß es in der Entscheidung. Das Verfassungsgericht folgt der Argumentationslinie der Landesregierung Niederösterreich, dass das Kreuz ein Symbol christlicher Kirchen, nicht notwendigerweise des Katholizismus ist. Es sei "ohne Zweifel zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden".

Laut Niederösterreichischem Kindergartengesetz wird ein Kruzifix dann angebracht, wenn die Mehrheit der Kinder in der Gruppe einem christlichen Religionsbekenntnis angehört. Der Kläger wollte zwei Passagen aus dem niederösterreichischen Kindergartengesetz geändert bzw. wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben haben: Einerseits Paragraph 3 Absatz 1, in dem steht, dass das Kindergartenpersonal einen grundlegenden Beitrag "zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten" habe. Hier solle die Wortfolge "religiösen und" gestrichen werden. Weiters solle Paragraph 12 Absatz 2 -  dass in Kindergärten, in denen die Mehrzahl der Kinder ein christliches Religionsbekenntnis haben, ein Kreuz anzubringen ist -  fallen.

Der VfGH konstatiert: "Selbst unter der Annahme, dass die Anbringung von Kreuzen einen Eingriff in das Recht auf (negative) Religionsfreiheit bilden könnte, erreicht die Rechtsbeeinträchtigung nicht ein Ausmaß, das den solcherart angenommenen Eingriff unverhältnismäßig erscheinen ließe."

Zu den religiösen Feiern im Kindergarten fällte der Gerichtshof kein Urteil, da eine Teilnahme der Kinder an diesen nicht verpflichtend sei und somit kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragssteller erfolge. (az, derStandard.at, 16.3.2011)