Wien - Eigentlich dürfte es keine Verlierer geben. Niemand werde nach Einführung der neuen Mindestsicherung schlechter aussteigen als mit der alten Sozialhilfe, hat die SPÖ-geführte Stadtregierung versprochen. Doch nun trudeln beim Sozialamt Klagen ein, die das Gegenteil belegen, wie Behördenleiterin Renate Christ erzählt: "Wir bekommen Beschwerden von Leuten, die unterm Strich nun weniger Geld bekommen, obwohl sich ihre Lebensumstände nicht geändert haben."

Schuld ist eine strengere Praxis bei der Übernahme von Wohnkosten. Die Mindestsicherung sieht, wie bisher die Sozialhilfe, einen Anteil für Miete und dergleichen vor. Doch die Leistungen reichen nicht immer aus. Maximal 282 Euro kann ein Alleinstehender unter dem Titel der Mindestsicherung fürs Wohnen beziehen - auch Gemeindewohnungen sind oft teurer. Deshalb griff die Stadt Bedürftigen vielfach zusätzlich mit Wohnbeihilfe unter die Arme. Diese wird nicht vom Sozialamt, der Magistratsabteilung 40, ausbezahlt, sondern von der MA 50.

Kein Mindesteinkommen

Nun ist diese Quelle für viele Bezieher versiegt. Anlässlich der Einführung der Mindestsicherung hat das Wohnressort im September 2010 den Zugang beschränkt. Anwärter müssen ein Mindesteinkommen in der Höhe der Ausgleichszulage (753 Euro) nachweisen - oder alternativ über durchgehend zwölf Monate innerhalb der letzten zehn Jahre. Die Mindestsicherung wird dabei nicht eingerechnet.

"Bisher hat man das nicht so restriktiv gehandhabt" , heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, das die Verschärfung mit "Treffsicherheit" begründet: Die Wohnbeihilfe sei als gezielte Förderung, auch für den Mittelstand, gedacht und nicht als typische Sozialhilfe. Dafür gebe es die Mindestsicherung.

Seit 2003 wuchs die Zahl der Bezieher um 50 Prozent auf 57.628 an, die Kosten stiegen von 61,3 auf 91,4 Millionen. Im Schnitt beträgt die Leistung damit 132 Euro pro Kopf und Monat. Dem Standard sind aber auch Fälle bekannt, in denen es um über 300 Euro geht.

Wie viele Menschen nun um Geld umfallen, war im Magistrat nicht zu eruieren. Das Sozialamt, das an die Bestimmungen der Mindestsicherung gebunden ist, könne jedenfalls nicht einspringen, sagt Leiterin Christ: "Wir können in Einzelfällen Mietrückstände ausgleichen, aber nicht den Entfall einer Dauerleistung kompensieren." In letzter Konsequenz droht Leuten, die ihre Miete nicht zahlen können, die Delogierung.

Bricht die Stadtregierung damit nicht das eigene Verschlechterungsverbot? Die Wohnbeihilfe habe nichts mit der Mindestsicherung zu tun, lässt Sozialstadträtin Sonja Wehsely ausrichten - weshalb sie nicht zuständig sei. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sagt: Sollten Personen "von unvorhersehbaren finanziellen Engpässen betroffen sein" , bemühe man sich um eine "rasche Lösung" . (Gerald John, DER STANDARD; Printausgabe, 11.4.2011)