Herbert Liaunig (66). Der gebürtige Kärtner Kunstsammler hat viele Betriebe saniert. Die Herbert-Liaunig-Privatstiftung ist Haupteigentümerin zahlreicher Unternehmen. Nahe seinem Schloss ließ er in Neuhaus/Suha von Querkraft ein Museum errichten.

Foto: Lukas Beck

STANDARD: Ab wann, würden Sie sagen, gilt man als Sammler?

Liaunig: Wenn man mehr Kunstwerke hat, als man in seinen Räumlichkeiten unterbringt. In meiner frühesten Sammelphase habe ich sehr großformatige Bilder den Museen geschenkt. Das mache ich nicht mehr.

STANDARD: Weil Sie die Bilder nun Ihrem eigenen Museum schenken?

Liaunig: Ja. Und der Museumsbestand gehört der Liaunig-Privatstiftung. Da ich ihr alle meine industriellen Beteiligungen übertragen habe, muss sie die Mittel fürs Sammeln aufbringen. Ich könnte es mir mit meinem Einkommen nicht leisten.

STANDARD: Wann haben Sie denn zu sammeln begonnen?

Liaunig: Mit zirka vier Jahren habe ich Abschnitte der Zigarettenpackungen Austria 3 gesammelt. Für 100 Stück gab's einen Fußball. Dann waren schon Briefmarken dran. Sammeln ist eine Veranlagung, ich sammle gern - auch Eierschwammerln. Mir macht es Spaß, Dinge zusammenzutragen.

STANDARD: Ihren Söhnen haben Sie diese Leidenschaft vererbt?

Liaunig: Ob vererbt oder anerzogen, weiß ich nicht. Beide sind Sammler und haben mehr, als sie zu Hause unterbringen können. Weil ich sie mit ihren Überschüssen nicht ins Museum lasse, haben sie Container gemietet. Der Leidensdruck wird steigen. Sie werden noch ihre eigenen Museen bauen (lacht).

STANDARD: Wie groß war Ihr Leidensdruck, ehe Sie die Architektengruppe Querkraft mit dem Museumsbau beauftragten?

Liaunig: Sammler haben ihre Kunst nicht gern in Depots. Ich wollte die Bilder sehen können. Bis 1980 war's kein Problem, die Ankäufe hielten sich in bürgerlichem Rahmen. Doch mit meinem Einkommen stiegen Anzahl, Größe und Wert der Arbeiten. Zunächst hängte ich die Bilder in die Büros meiner Unternehmen. Aber nach dem Verkauf der Jenbacher Werke flutete die Kunst zurück - und ich entschloss mich, ein Haus für meine Kunst zu errichten. Es öffentlich zugänglich zu machen, war erst der zweite Schritt.

STANDARD: Hat das Museum Ihre Sammeltätigkeit verändert?

Liaunig: Sehr. Es stellt sich ja sofort die Frage: Wofür steht das Museum? Vorher habe ich gesammelt, was sich aus persönlichen Begegnungen und Vorlieben ergab. Vieles an österreichischer Kunst habe ich nicht geschätzt. Noch viel mehr habe ich geschätzt, aber es fehlte in meiner Sammlung. Mit dem Museum begann das Lückenfüllen: Frühe Rainer etwa oder Maria Lassnig. Auch vom Wiener Aktionismus musste ich nachkaufen.

STANDARD: Erinnern Sie sich noch an das erste Bild, das Sie kauften?

Liaunig: Es war eine Zeichnung eines Kollegen aus dem Studentenheim, Karl Brandstätter. Von ihm habe ich später allerdings nichts mehr gekauft. Das erste Ölbild stammte von Sandor Belcsak. Ein unglaublich teures Bild, ich hätte einen gleich großen Rainer dafür gekriegt! Ich musste es eineinhalb Jahre abstottern.

STANDARD: Ihre Sammlung umfasst knapp 3000 Werke. Ist dieses Bild noch darunter?

Liaunig: Ich habe nie Bilder verkauft, nur einige wenige verschenkt. Es sammelt sich natürlich auch eine Art Treibgut an, wenn man da und dort etwas kauft - aus Gründen, die nicht unmittelbar mit der Sammlung zu tun haben. Aber wirkliche Leichen habe ich nicht im Keller.

STANDARD: Sie wurden also vom Genuss- zum Pflichtsammler?

Liaunig: Früher habe ich Kunst oft unter großen Opfern gekauft. Einmal musste ich meiner Frau, nur damit sie zustimmte, versprechen, ein Jahr nicht zu rauchen. Wenn ich heute zweihundert Arbeiten erwerbe, muss ich keine solchen Opfer mehr bringen. Das Sammeln fällt leichter, der Leidensdruck wird geringer - manchmal aber auch der Enthusiasmus. Nun kaufe ich wieder in die Zukunft und nicht nur, um Lücken zu füllen. Das ist viel lustvoller.

STANDARD: Sie sammeln auch afrikanische Kunst, Silber, Waffen, Teppiche, Gläser, Atlanten, Briefmarken, Porträtminiaturen. Sind Sie überall Fachmann?

Liaunig: Nein, außer für zeitgenössische Kunst habe ich erstklassige Sammlungsberater und Experten.

STANDARD: In der zeitgenössischen Kunst sind Sie Experte. Warum richten Sie Ihren Fokus auf österreichisches Kunstschaffen?

Liaunig: Ich habe schon auch einige internationale Spitzenwerke. Aber in Österreich kenne ich fast alle Künstler. Hier habe ich den größten Überblick und als Sammler mit begrenzten Möglichkeiten auch die Chance, Schlüsselwerke zu bekommen. Mich interessiert nicht nur Mainstream, sondern auch die Peripherie: Junge Positionen; Künstler, die vergessen, unterbewertet, übersehen wurden. Die nie die Wertschätzung erfuhren, die sie aufgrund ihres Werkes verdient hätten. Künstlerische Qualität geht oft nicht mit materiellem Erfolg oder Bekanntheit einher. Die aktuelle 60er-Jahre-Ausstellung im Wiener Musa ist beispielsweise nicht repräsentativ für die damalige österreichische Kunst. Man hätte die Positionen evaluieren und überlegen müssen, was es außer dem Phantastischen Realismus noch gab. Nichts von dem, was dort gezeigt wird, habe ich übrigens je gekauft.

STANDARD: Wie viel gibt das Museum jährlich aus?

Liaunig: Rund eine Million Euro für Kunstankäufe. Die laufenden Kosten wie Personal, Versicherungen, Energiekosten betragen noch einmal rund 300.000 Euro.

STANDARD: Man hört, Sie planen auch, das Museum zu erweitern?

Liaunig: Ja. Ursprünglich sollte sich ja das Land beteiligen. In Kenntnis der Politiker ließ ich vorsichtshalber so planen, dass ich den mit sechs Millionen Euro budgetierten Teil auf alle Fälle selber realisiere und einen Teil, der mit zwei Millionen veranschlagt wurde, gegebenenfalls mit dem Land. Das wird nun der Erweiterungsbau. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 30. April/1. Mai 2011)