Ein Festwochenduo mit komfortabler Vorbereitungszeit: Shermin Langhoff und Markus Hinterhäuser im Wiener Rathaus.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Wien - Markus Hinterhäuser wird, wie Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny nicht ohne Stolz auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz verkündete, als neuer Festwochen-Intendant "die Fahne des Fortschritts" über Wien aufpflanzen. Hinterhäuser löst 2014 Luc Bondy ab. Ihm zur Seite steht Shermin Langhoff, die seit 2008 das Berliner Ballhaus-Theater in der Kreuzberger Naunynstraße leitet (der STANDARD berichtete bereits gestern). Langhoff wird stellvertretende Intendantin: Als Chefkuratorin soll sie ihr Hauptaugenmerk auf migrantische und transkulturelle Projektarbeit richten.

Festwochen-Präsident Rudolf Scholten bestätigte, bereits seit Sommer/Frühherbst 2010 weit ausgreifende Sondierungsgespräche geführt zu haben: Im Vordergrund sei dabei "nicht so sehr die Namensfindung gestanden", sondern das Abgleichen der vorhandenen Festwochen-Struktur mit dem hinkünftig Wünschenswerten. Mit der Doppelnominierung von Hinterhäuser und Langhoff schließe sich "adressenhaft ein Herkunftsbogen", wie er "gegenpoliger" gar nicht gedacht werden könne.

Hinterhäuser selbst, heuer bekanntlich alleinverantwortlicher Intendant der Salzburger Festspiele, sprach von einer "Rückkehr nach Wien". Der gelernte Pianist, ein Leonskaja- und Maisenberg-Schüler, begreife die neue Herausforderung als "Horizonterweiterung".

Marthaler als Beispiel

In der langen Vorlaufzeit bis 2014 möchte Hinterhäuser auf alle kommunalen Institutionen zugehen. Er wolle sich um eine stärkere Signalwirkung "echter" Eigenproduktionen bemühen: Arbeiten wie Christoph Marthalers legendäres Musiktheaterstück Schutz vor der Zukunft (2005), fest verwurzelt in der Wiener Mentalität und deren unheilvoller Geschichte, schweben ihm - Hinterhäuser saß damals am Klavier - als beispielgebend vor.

Langhoff gab an, von dem Hebbel-am-Ufer-(HAU)-Intendanten Matthias Lilienthal für die Sache des Theaters gewonnen worden zu sein. Ursprünglich sozialisiert durch Frank Castorfs Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, habe sie sich als gebürtige Türkin die Frage nach der "Unterrepräsentierung" von Menschen mit migrantischem Hintergrund im Kulturbetrieb gestellt. Theater im politischem Raum, als "Identitätsmaschine", sei für sie zum "Motor für neue Ästhetiken" geworden. Auf vier Kuratorinnenjahre am HAU folgte die "Verstetigung" ihrer diesbezüglichen Interessen am Ballhaus-Theater. "Mit einer Anfrage der Wiener Festwochen habe ich nicht gerechnet", bemerkte Langhoff lächelnd.

Tatsächlich haben Hinterhäuser und Langhoff seit rund zwei Monaten miteinander Gespräche geführt. Vor einem Monat sei das Signal an beide ergangen, sich schriftlich um die Intendanz zu bewerben - was beide separat getan haben. Die Doppelstruktur (ihr wird wie bisher Wolfgang Wais als kaufmännischer Geschäftsführer zuarbeiten) sei da bereits abgesprochen gewesen.

Über das Wesen von Programmierungsarbeiten geriet Hinterhäuser regelrecht ins Schwärmen: Der Großteil seiner Salzburger Arbeit habe darin bestanden, "Konstellationen zu schaffen. Wenn das funktioniert: großartig!" Über die Zusammenarbeit mit Langhoff wird sich Hinterhäuser strikt befristet freuen. Festwochen-Intendanten werden künftig nicht länger als drei Jahre amtieren. Gehuldigt wird damit einem ganzen Schlagwortkatalog von Begriffen wie "Öffnung, Abwechslung, Bewegung". Scholten: "Wir wollen das Prinzip der Nichtverlängerbarkeit auch wirklich ernst nehmen!"

Kulturstadtrat Mailath-Pokorny versicherte, dass die Entscheidung für das Leitungsteam erst vorgestern Abend gefallen sei. Bis Ende der Ausschreibungsfrist am 30. April seien 20 Bewerbungen eingetrudelt, davon eine einzige Doppelbewerbung. Mit der Befristung seines vertraglichen Wirkens zeigte sich Hinterhäuser demonstrativ ausgesöhnt: "Heuer mache ich Salzburg ... Ich arbeite mich hinauf!" Tatsächlich soll der Neointendant sowohl Musik- als auch Sprechtheaterproduktionen entrieren. Mit den Vereinigten Bühnen Wien habe er bereits Gespräche geführt: Die Mieten im Theater an der Wien dürften flexibler werden. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 5. Mai 2011)