Antonio Fian, "Man kann nicht alles wissen. Dramolette V". € 19,00 / 192 Seiten. Droschl, Graz 2011

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Nie wird der Leser erfahren, was das Tschapperl zum Tschetschenen sagt. Klar ist aber, dass zwei Hinterbänkler im Kärntner Landtag den Witz, der von ebendieser Begegnung auf der Saualm berichtet, voll super finden: "Der ist echt flocke!" - und damit ungleich spannender als der gerade beschlossene Verkauf der Kärntner Badeseen und der Hohen Tauern.

Antonio Fian lässt die Figuren seiner konzentrierten, der Leserschaft des Standard wohlbekannten Dramolette gern hinter einem nüchternen "(Vorhang)" verschwinden, ehe diese ihre Taten und Reden zu einem Ende gebracht haben. Doch wozu ihnen auch mehr Raum geben, wenn auch in wenigen Zeilen zum Ausdruck gebracht werden kann, was die Personen und die Welt, in der sie sich bewegen, ausmacht.

In seinen Beobachtungen beschränkt sich Fian dabei nicht auf das Geschehen auf den heimischen Polit-Bühnen. Auch wenn der gebürtige Klagenfurter gelegentlich mit spürbarer Freude Kärntner Parteibuben oder auch Politiker zu Wort kommen lässt, so ist, wie sein nunmehr fünfter dramatischer Sammelband Man kann nicht alles wissen zeigt, sein Werk primär ein volksnahes. Das Wiener Café, das Waldviertler Gasthaus und der Graubereich dazwischen sind Fians liebste Schauplätze. Hier blickt er, wie es immer wieder so schön heißt, tief in die österreichische Seele, lässt Paare wortreich ihrer Sprachlosigkeit Ausdruck verleihen und Patriarchen ihre Borniertheit auf den Esstisch legen. Dabei dringt das Politische wiederum stets in den Alltag ein. Antonio Fian ist ein tagesaktueller Autor, der gegenwärtige Geschehnisse mit den Fragen "Was wäre, wenn?" oder "Wie war das wohl?" gekonnt in an das Absurde grenzende Bereiche hineinsteigert. So zeigt ein Blick in die Zukunft, was passiert, wenn stets die Unschuldsvermutung zu gelten hat oder die Liebe für einen verblichenen Landeshauptmann - wir sind natürlich doch wieder im Süden - zu weit geht.

An anderen Stellen wird man Zeuge unerhörter geschichtsprägender Ereignisse wie der Künstlerwerdung von Hermann Nitsch, der frühen Kindheit von Grasser-Flöttl-Meinl oder der Tragödie vom Sprechtraining für Herwig van Staa, der sich mit den Worten "Schweigen" und "Schwein" so arg schwer tut.

Der Sammelband, dessen Texte zwischen 2007 und 2010 überwiegend in dieser Zeitung erschienen sind, eignet sich, um sich Vergangenes und Verdrängtes noch einmal in Erinnerung zu rufen. Neben zwei Erstveröffentlichungen in der gewohnten Form enthält der Band mit dem "Bonusdrama" Hennir auch ein abendfüllendes Stück. Das 2009 im Wiener Theater Nestroyhof Hamakom mit Isabel Karajan und Bruno Ganz uraufgeführte Drama erzählt von einer überambitionierten Schauspielerin, die gerne als Penthesilea glänzen würde, jedoch lediglich in dem Hörspiel Troja for Kids das Wiehern (Französisch: "hennir") der Pferde einsprechen darf.

Das ist mitunter witzig, zugleich aber auch mit einer vielleicht der größeren Form geschuldeten Brutalität und Bitterkeit angereichert, die Fian weniger gut steht und den Leser trotz einiger netter Einfälle nur bedingt befriedigt. Aber mit den geschenkten Gäulen ist es bekanntlich so eine Sache. (Dorian Waller / DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.5.2011)