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Auf weichen Böden barfuß zu gehen ist gesund und stärkt die Muskulatur. Experten raten aber vom permanenten Barfußgehen ab.

Foto: APA/NORBERT FOERSTERLING

BigFoot

Unten ohne durchs Leben ... oder warum machen Schuhe blind?

Autor: Burkhard Reinberg

208 Seiten

16,90 Euro

ISBN 978-3-940185-19-8

 

Foto: RaBaKa Publishing Verlag

Gras zwischen den Zehen spüren, Sand auf den Fersen - Barfußlaufen ist gesund, darüber sind sich Mediziner einig. Es soll aber auch Unerschrockene geben, die ihren Schuhen für immer ade gesagt haben, die fast täglich und bei jeder Witterung barfuß unterwegs sind. Ist das zu viel des Guten?

Grundsätzlich gilt: Barfuß zu gehen fördert die Stabilität der Wirbelsäule, trainiert die Fußmuskulatur, die Reflexe und die Sensibilität der Fußsohle. Experten raten dazu, so häufig wie möglich die Schuhe auszuziehen - wenn es die Gegebenheiten erlauben. Das heißt auf Waldwegen, Wiesen, am Strand, also am besten in der freien Natur. "Die Unebenheiten am Gelände sind für den Fuß sehr günstig, weil die Nervenzellen darauf reagieren und die Muskulatur trainiert wird", erklärt Manuel Sabeti, Oberarzt im Sportteam der Universitätsklinik für Orthopädie in Wien. Das Barfußgehen sei die natürlichste Art der Fortbewegung. "Der Körper ist dafür ausgelegt, dass er es perfekt kann."

Josef Hochreiter, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie, ist derselben Meinung: "Die Konventionen sind so, wie sie eben sind: Es ist nicht angebracht, im Büro barfuß zu laufen. Aber in der Wohnung, im Garten und überhaupt in der Freizeit ist es sehr vernünftig."

Dem Fuß Zeit geben

Eines gilt es dabei aber zu beachten: Durch das ständige Tragen von Schuhen wird unsere Fußmuskulatur weniger gebraucht. "Das Fußgewölbe an sich wäre ein hervorragender Stoßdämpfer, durch das Tragen von Schuhen kann es aber abflachen, es können sich Spreizfuß, Senkfuß oder eine Kombination von beiden bilden", sagt Sabeti. Diese Phänomene setzen schon in der Jugendzeit ein. Beim Barfußgehen sollte daher auf die richtige Intensität geachtet werden. Ein Beispiel: Barfuß am Strand zu joggen sei für den ungeübten Fuß eine Katastrophe, vor allem das Großzehengrundgelenk könne dem Druck nicht standhalten. "Aber wenn man dem Fuß Zeit gibt und ihn an die Belastung ohne Schuh gewöhnt, steht dem Barfußgehen nichts mehr im Wege."

Barfuß gehen: Kinder ja, Diabetiker mit Vorsicht

Schon Kinder sollten dort, wo es Temperatur und Bodenbeschaffenheit zulassen, möglichst viel barfuß herumtollen. "Natürlich nur, wenn sie keine strukturellen Schäden am Bewegungsapparat haben", sagt Sabeti. "Kinder lieben das Barfußgehen und weigern sich in der ersten Lebensphase oft, überhaupt Schuhe anzuziehen", so Hochreiter. Er rät Eltern, dahingehend nicht zu viel Druck auszuüben.

Wenig barfuß gehen und wenn, dann ausschließlich auf sauberem Untergrund sollten  Diabetiker und alle anderen Menschen mit Gefühlsstörungen. Sie haben in den Füßen kein Gespür für die Unterlage. Bei Diabetikern verheilen kleine Wunden schlechter, Fußverletzungen können sich dramatisch verschlechtern.

Schuhe können Beschwerden verursachen

Der Deutsche Burkhard Reinberg ist einer jener, die häufig und aus Überzeugung Barfuß unterwegs sind. Er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema, in seinem Buch "BigFoot" schreibt er: "Wir wurden durch das permanente Tragen von Schuhen von der Natur abgetrennt." Viele Leiden seien auf das dauerhafte Tragen von Schuhen zurückzuführen: Rückenprobleme, Kopfschmerzen, Knie- und Hüftprobleme, Schlaf- und Durchblutungsstörungen.

Reinberg beschreibt es so: "Ihre Füße können nicht atmen, sie können sich nicht bewegen, sie werden nicht richtig durchblutet, sie sind ständig feucht und weichen daher auf, fangen dann an zu riechen, verformen sich und schmerzen, was sich wiederum auf Körper und Geist auswirkt."

Fernando Dimeo, Facharzt für Innere Medizin und Sportmedizin an der Charité Berlin, der in Reinbergs Buch "BigFoot" das Vorwort geschrieben hat, gibt aber nicht allein den Schuhen die Schuld: Die Beschwerden kommen seiner Meinung nach eher daher, dass die Füße zu wenig Bewegung haben. "Wenn überhaupt, dann liegt es an der oft zu harten Sohle oder daran, dass man die falschen Schuhe trägt."

Schuh ist nicht gleich Schuh

Oberarzt Sabeti rät zu individuell angepassten Schuhen in der richtigen Größe, die den Anforderungen gerecht werden. Gesunde Schuhe bestehen aus wenig Kunststoff, viel dünnem Leder und haben kleine Lüftungsschlitzen. Denn hinzu kommt: Wer täglich dasselbe Paar Schuhe trägt läuft Gefahr, sich einen Fuß- oder Nagelpilz einzufangen. Gut belüftete Schuhe sowie entsprechende Fußpflege und Luftzufuhr durch Barfuß-Sein helfen dagegen.

Uneinigkeit über das "richtige" Gehen

Stellt sich noch die Frage, wie man richtig geht, um seinen Füßen nichts Schlechtes zu tun. Die beiden österreichischen Orthopäden sind sich einig: Man landet mit der Ferse, dann erst tritt man über den Außenrand zum Mittelfuß bis zum Großzehengrundgelenk auf. "Die Ferse ist der wesentliche Knochen den wir brauchen, um die Kraft beim ersten Bodenkontakt zu übersetzen", erklärt Sabeti.

Reinberg, selbst allerdings kein Mediziner, behauptet genau das Gegenteil: Dadurch, dass der Mensch heute die meiste Zeit des Tages Schuhe trage, habe sich der natürliche Gang hin zum "harten, ungefederten Fersengang" verändert. Er empfiehlt, zuerst mit dem Mittelfuß auf dem Boden aufzusetzen und erst dann mit der Ferse.

Sportmediziner Dimeo relativiert beides. "Das ist wie mit der Atmung beim Laufen, es gibt keine richtige Technik, jeder Mensch macht das anders." Es komme auch auf Faktoren wie das Gewicht an, welche Gangart die vorteilhaftere sei. Wer etwas mehr wiegt, sollte zum Beispiel eher mit der Ferse auftreten.

Leben eingefleischte Barfußgeher gesünder?

Buchautor Reinberg geht seit fast zwei Jahrzehnten regelmäßig barfuß, nicht permanent, aber sehr häufig. Wenn er länger als ein paar Stunden in Schuhen "gefangen" ist, wird er bereits unruhig. "Ich muss dann schnellstens die Dinger loswerden." Er ist davon überzeugt, dass ihm das häufige Barfußgehen zu mehr Lebensfreude und Gesundheit verhilft.

So gut wie immer barfuß zu laufen ist aus orthopädischer Sicht aber ein großes Risiko, vor allem weil der Fuß ungeschützt gegen Stacheln, Splitter, Keime etc. ist. Auch können Viren, Bakterien und andere Erreger über sehr kleine Hautverletzungen in den Körper gelangen. Darüber hinaus würde das ständige Barfußgehen den Körper mit der Zeit zu stark belasten. Elemente wie die eben genannten Verunreinigungen, aber auch Schnee und Streusalz im Winter oder ebene und harte Untergründe wie Asphalt treffen auf eine heute sehr hohe Lebenserwartung. "Diese Faktoren würden einem Fuß bei ständigem Barfußgehen vorzeitig zusetzen und zu starken Arthrosen führen", erklärt Sabeti.

Dimeo von der Charité Berlin sieht das Ganze pragmatisch: Die Argumente dafür würden zwar nicht wirklich ausreichen. Aber: "Wen das glücklich macht und wer keine Beschwerden hat, der soll das ruhig tun." (Maria Kapeller, derStandard.at, 18.05.2011)