Mit der ersten von zwei geplanten, großen Keynotes hat der Softwarehersteller Google am Dienstag morgen (Lokalzeit) in San Francisco die zweitägige Google I/O offiziell eröffnet. Mehrt als 5.000 EntwicklerInnen sind in das Moscone Center West gekommen, um sich in zahlreichen Sessions rund um die diversen Google-Angebote weiterzubilden, aber auch um sich über die Zukunftspläne des Unternehmens zu informieren. Immerhin nutzt Google die I/O traditionell, um die Entwicklung der kommenden Monate zu umreißen.
Thematisch
Wie schon im vergangenen Jahr führt auch heuer wieder Vic Gundotra, mittlerweile zum "Vice President of Social" avanciert, durch das mit vielen Scherzchen gespickte Programm. Schon vorab hatte man verlautbaren lassen, dass Android sowie Chrome / ChromeOS die zentralen Themen der I/O sein werden. Die Dienstags-Keynote stand dann auch tatsächlich zur Gänze unter dem Motto "Android".
Statistik
Zunächst widmete man sich einigen Statistiken, die das Wachstum von Android recht beeindruckend verdeutlichen: Mehr als 400.000 Android-Geräte werden mittlerweile täglich neu aktiviert. Daraus resultieren insgesamt bereits mehr als 100 Millionen vertriebene Android-Devices. Zudem gibt es im Android-Market nun schon 200.000 Apps, die insgesamt 4,5 Milliarden mal installiert wurden.
Android 3.1
Danach folgte jene Ankündigung auf die alle gewartet haben - oder auch wieder nicht: Mit Android 3.1 liefert man das erste große Update für Honeycomb. Weniger erwartet war wohl, dass dieses umgehend für das Xoom-Tablet bei Verizon erhältlich sein soll. Als neue Features strich man unter anderem die von vielen ersehnte Aktivierung des USB-Host-Modus heraus, womit sich zahlreiche zusätzliche externe Geräte nutzen lassen sollen - was man anhand eines XBox-360-Controllers zeigte. Zudem lassen sich Startscreen-Widgets nun beliebig in der Größe verändern und es gibt einen überarbeiteten Task-Switcher.
Ice Cream Sandwich
Allerdings sollte man Android 3.1 nicht mit der nächsten großen Plattformversion des mobilen Betriebssystems verwechseln. "Ice Cream Sandwich" folgt nämlich erst später, und wird dann auch größere neue Funktionen bringen. Für EntwicklerInnen wohl am wichtigsten: Es werden die Code-Pfade für Tablets und Smartphones wieder zusammengeführt. Zusätzlich wird auch die nächste GoogleTV-Version auf "Ice Cream Sandwich" basieren. Auf die neue Android-Generation muss man allerdings noch eine ganze Zeit warten, derzeit visiert man das vierte Quartal 2011 an.
Head Tracking
Bei konkreten Features gab man sich noch zurückhalten, demonstrierte aber zumindest eine recht beeindruckende neue Technologie: Per "Head Tracking" lässt sich die Kamere eines Android-Geräts für durchaus interessante Tricks nutzen. So zeigte man etwa, wie die Software automatisch auf die gerade sprechende Person heranzoomt. Die entsprechenden APIs werden für externe Anwendungen zur Verfügung stehen, hier hofft man nicht zuletzt auf das kreative Potential der weiteren Community.
Filme
Schon jetzt bietet Google - zumindest in den USA - Bücher zum Kauf im Android Market an, als nächsten Schritt startet man jetzt auch den Filmverleih. Für Tablets soll es das Ganze ab sofort geben, für Android-2.2-Smartphones dann in den nächsten Wochen folgen. Die Filme werden für 30 Tage ausgeborgt, einmal zu sehen begonnen, stehen sie noch 24 Stunden zur Verfügung. Die Preise sollen bei 2 US-Dollar beginnen.
Music
Bereits am Montag Abend war durchgedrungen, dass sich Google dazu entschlossen hat, das lange schon spekulierte "Google Music" vom Stapel laufen zu lassen. Insofern erfolgte im Rahmen der I/O nun nur mehr der offizielle Startschuss.
Download
Wer eine Einladung für das Service ergattern kann (die TeilnehmerInnen der Konferenz dürfen sich unisono in diesen Kreis zählen), und sich noch dazu in den USA befindet, kann das Service ab sofort nutzen. Mit dieser ist es möglich, die eigene Song-Sammlung online synchronisieren zu lassen - und künftig von den Google-Servern streamen zu lassen - auch nach der Löschung der lokalen Dateien. Mithilfe einer Flash-Anwendung kann auch vom Browser aus einfach auf die in der "Cloud" befindlichen Lieder zugegriffen werden, wie man im Rahmen der Keynote demonstrierte. Auch das Zusammenstellen von Playlists im Web-Interface zeigte man, die dann natürlich auch umgehend am Smartphone zur Auswahl stehen.
Abkommen
Die von Google ursprünglich anvisierte Lizenzabmachung für ein solches Service gibt es derzeit nicht, mal sehen ob sich die Musikindustrie nach dem Start von Google Music nun kooperativer zeigt und von jener schier endlosen Verzögerungstaktik ablässt, die man bei Google hinter vorgehaltener Hand schon länger beklagt. Immerhin schwimmt der Industrie hier langsam ein ganzes Geschäftsfeld weg. Auch Amazon hatte ja vor kurzem ein ähnliches Service gestartet, das extra so implementiert ist, damit man ohne Lizenzabkommen auskommt.
Optik
Die neue Musik-App gibt es übrigens bereits separat zum Download, nur eben ohne die Streaming-Funktionen, auch funktioniert der Download nicht mit europäischen Geräten. Sie ersetzt das bei zahlreichen Geräten vorinstallierte Google Music, und modernisiert damit jene Android-Komponente, die in der derzeitigen Default-Ausstattung des Smartphone-Betriebssystems wohl die größten Defizite aufweist - nicht zuletzt was den optischen Auftritt betrifft.
Update-Richtlinien
Für besonderen Applaus sorgte eine andere Ankündigung: In Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnerfirmen will man Richtlinien für Android-Updates entwickeln, an die sich diese dann halten müssen. Von Anfang mit dabei sind unter anderem Sony Ericsson, Samsung, Motorola, HTC und LG, die als ersten Schritt umgehend zusagen, ihre neuen Geräte zumindest 18 Monate lang mit Updates zu versorgen.
Open Accesories
Gänzlich neue Möglichkeiten will man Android mit "Open Accessories" verschaffen: Durch die Kombination aus offenen APIs und einem Hardware-Referenzdesign sollen sich beliebige Geräte mit Android integrieren können. So demonstrierte man etwa ein Fitnessgerät, das automatisch die zugehörige App aktiviert. Das Referenzdesign stellt Google übrigens ebenfalls "offen" zur Verfügung, zudem sollen bereits die ersten Hersteller an eigenen Lösungen arbeiten.
Labyrinth
Auf der Bühne hatte man dann auch ein besonders nerdiges Beispiel für die Möglichkeiten der "Open Accessories" parat: Über die Lagesensoren eines Tablets wurde ein Labyrinth-Spiel gesteuert - und zwar die klassische Nicht-Computer-Variante. Bei Google intern hat man übrigens eine übergroße Version davon gebaut, die sich auch auf der I/O spielen lassen soll - mit mehreren Metern Durchmesser.
Android@Home
Dazu passend startet man noch eine weitere Initiative: Android@Home soll das mobile Betriebssystem mit Geräten des Alltags verbinden. Konkret demonstrierte man dies, indem sich das Licht des Keynote-Raums drahtlos von einem Tablet aus steuern ließ - oder gleich durch einen 3D-Shooter am Tablet "angeschossen" wurde. Die theoretischen Möglichkeiten gehen aber noch wesentlich weiter, so solle man sich einmal vorstellen, wie es wäre, wenn ein "reales" Farmville den eigenen Garten pflegt, scherzte Google.
Tungsten
Etwas ernsthafter dann schon ein anderer Aufbau, den man intern "Project Tungsten" nennt. Vom Tablet aus lässt sich dabei die Musikanlage steuern, also etwa bestimmen auf welchen Lautsprechern welche Musik abgespielt werden soll. Dies hat man dann noch mit den Möglichkeiten von Near Field Communication (NFC) kombiniert: Eine CD, die physisch an die Box gehalten wird, wird automatisch zur eigenen Musiksammlung hinzugefügt - und mit einer weiteren Geste gleich gestartet.
Oprah
Zu guter Letzt folgte dann noch das, was man in den USA gerne den "Oprah"-Moment (in Anspielung auf die bis zu ihrer Einstellung bei den Massen besonders beliebte Talkshow) nennt - und der seine Wirkung nicht verfehlte: Alle Anwesenden bekommen von Samsung und Google gemeinsam das neue Galaxy Tab 10.1 mit "Honeycomb"-Software geschenkt.
Market
Mit dem Ende der Keynote ist übrigens keineswegs der Android-Vorstellungsreigen beendet: Am Mittwoch will man noch einige zentrale Neuerungen rund um den Android Market verkünden. (Andreas Proschofsky aus San Francisco, derStandard.at, 10.05.11)