Trat 2010, nach seinem überraschenden Comeback, bei der Nova Jazz and Blues Night in Wiesen auf: Gil Scott-Heron.

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Wien - Den Ehrentitel "Godfather of Rap" lehnte er höflich, aber bestimmt ab. Zwar beruft sich die halbe HipHop-Welt auf seine Ende der 1960er-Jahre entwickelte, aus der Beat-Literatur kommende Sprechgesangstechnik. Gil Scott-Heron aber bezeichnete sich selbst lieber als Bluesologist.

1949 in Chicago als Sohn einer Englischlehrerin und eines jamaikanischen Fußballspielers geboren, kam er über den Umweg Tennessee bald nach Harlem, New York, wo er bis zuletzt lebte. Nachdem Gil Scott-Heron einen vielversprechenden Roman, The Vulture (Der Aasgeier), veröffentlicht und sich als Spoken-Word-Poet einen Namen im Underground gemacht hatte, wollte er 1970 das Publikum vergrößern: Er vertonte seine um Fragen der Bürgerrechte, Rassismus, Drogen, Unterdrückung, Kapitalismus- und Medienkritik kreisenden Texte gemeinsam mit seinem Studiumkollegen Brian Jackson.

Sein Debütalbum Small Talk at 125th & Lenox Ave. enthielt bei anfangs sparsamer perkussionslastiger, später zwischen Blues, Soul und Jazz mäandernder Begleitung den Klassiker The Revolution Will Not Be Televised. Dieses Stück gilt bis heute als zentrales Statement, wenn es um schwarzes Selbstverständnis und den Aufruf zum (gesellschafts-)politischen Widerstand in Schwarzamerika geht.

Mit sonorem, wortgewaltigem Sprechgesang zwischen harter politischer Anklage und schwarzem Humor und immer wieder auch sanfteren Tönen klagte Gil Scott-Heron fortan mit Arbeiten wie Winter In America, From South Africa To South Carolina oder Songs wie Home Is Where The Hatred Is eine gerechtere Welt ein. Möglicherweise zerbrach er an diesem Spagat zwischen Anspruch und Realität. Obwohl er in Songs wie Angel Dust zuvor die Drogenabhängigkeit und deren politische und ökonomische Ursachen in der zerfallenden afroamerikanischen Community seziert hatte, verfiel er selbst dem Alkohol, Heroin und Crack.

Nach dem hochgelobten Album Spirits von 1994 begann ein unterbrochener Abstieg. Es kam wegen illegalen Drogenbesitzes oder Verletzung der Bewährungsauflagen immer wieder zu Verhaftungen und zuletzt zu einem längeren Gefängnisaufenthalt auf Riker's Island. Dort entstanden die Texte für sein 2010 veröffentlichtes, unerwartetes Comeback, von Gil Scott-Heron gallig I'm New Here betitelt. Es enthielt späte Karrierehöhepunkte wie Me And The Devil oder New York Is Killing Me. Gil Scott-Heron rechnete gnadenlos mit seiner Vergangenheit ab, vergaß dabei aber nicht, einen zart-optimistischen Blick in die Zukunft zu wagen. Nach einer Europatournee starb Gil Scott-Heron am Wochenende 62-jährig in einem New Yorker Krankenhaus an den Folgen einer HIV-Infektion. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe 30.5.2011)