Der Hacker ist dem Programmierer immer einen Schritt voraus. Was immer der Programmierer programmiert, der Hacker entwickelt schon den Virus. Und der Programmierer ist zweiter. Infektiöse Substanzen verhalten sich wie Hacker. Sie dringen in das Programm Körper ein, entweder mit oder ohne Tarnkappe, und beginnen ihr schädliches Tun. Nun weiß das Programm Körper in den meisten Fällen zu reagieren. "Das angeborene Immunsystem wehrt viele Viren ab, ohne dass man ihre Anwesenheit auch nur bemerkt hätte", erklärt Giulio Superti-Furga, wissenschaftlicher Direktor des Wiener CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Wird das Programm Körper attackiert und keine Abwehrstrategie fruchtet, verlangt das nach einer grundlegenden Analyse. Bei dieser scheint der Forschungsgruppe um Superti-Furga ein Durchbruch gelungen, nachzulesen in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Immunology.

"Wir haben festgestellt, dass manche Zellproteine in der Lage sind, Viren von anderem zellulärem Material zu unterscheiden und sich nach dieser Entscheidung in einer bestimmten Weise zu verhalten. So marschieren diese IFITs genannten antiviralen Proteine auf und formieren sich in Abwehrstellung, nachdem andere Proteine die virale RNA erkannt und wie Wächter Alarm geschlagen haben", erläutert Superti-Furga weiter.

Das Prinzip zu erkennen und es nachweisen zu können sei der wichtigste Schritt. Nun stünden viele Richtungen offen, in die man weiterarbeiten könne. Denn: "Alle Viren mit Ribonukleinsäure kommen als Forschungsobjekte infrage." Und das sind mitunter die, die Mediziner aufgrund des häufigen Vorkommens am meisten beschäftigen - etwa der Erreger der Influenza.

Forschung mit der Maus

Im Zusammenhang mit der Studie beforschte man in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien einen Virus namens Vesicular stomatitis virus, kurz VSV, der als Verwandter des Tollwuterregers Krankheitssymptome bei Huftieren auslöst und auch beim Menschen leichte Symptome verursacht. Der Erreger wurde am Mausmodell beforscht.

Drei Jahre lang arbeiteten Forscher um Superti-Furga an der Erkenntnis des antiviralen Mechanismus. Fünf weitere Jahre wird es dauern, bis man weitere Arten antiviraler Truppen identifizieren können wird. Und noch einmal fünf Jahre stehen den Forschern bevor, bis es möglich sein wird, auf der Analyse aufbauend Medikamente zu entwickeln, die die antiviralen Truppen gezielt auf das zelluläre Schlachtfeld schicken. "Wir müssen so weit kommen, dass sich alles im richtigen Rhythmus fein dosieren lässt und nicht zu unerwünschten überschießenden Reaktionen führt", erklärt Superti-Furga.

Es gehe natürlich auf längere Perspektive um eine mehr ans Individuum angepasste Medizin, dennoch werde man sich auf Formeln konzentrieren, die einen breiten Einsatz ermöglichen.

Die medizinischen Zukunftsaussichten seien derzeit nicht eingrenzbar. Die Forschungsschwerpunkte lege man auf Entzündungen, Krebs und Autoimmunerkrankungen.

Die Arbeit der Programmierer, die Fußsoldaten richtig einzusetzen, würde damit an Schwung gewinnen. Die Viren brauchen keinen zusätzlichen Schwung. Ihre Umprogrammierung, das heißt Mutation, findet außerhalb der Labors nach einem ganz eigenen Programm statt. Und damit bleiben sie stets einen Schritt voraus. (Bettina Stimeder, DER STANDARD, Printausgabe, 06.06.2011)