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Seit 20 Jahren illegal in den USA: der Journalist José A. Vargas.

Foto: AP/dapd/Define American/

Als die Großmutter von José Antonio Vargas 2007 erfuhr, ihr Enkel habe den Pulitzerpreis gewonnen, kullerten keine Freudentränen. "Was passiert, wenn die Leute es rausfinden?", fragte sie ihn. Auch der Preisträger konnte sich nicht freuen: Den Nachmittag verbrachte Vargas in den Waschräumen der Washington Post, weinend.

Mit zwölf Jahren hatte ihn seine Mutter an der Seite eines "Onkels" - eines Schleppers, wie Vargas später erfuhr - in Manila in ein Flugzeug Richtung Kalifornien gesetzt. Seither lebt der Filipino ohne gültige Papiere in den USA.

Jedes Scheinwerferlicht, dass auf ihn gerichtet wurde, hätte sein Geheimnis sichtbar machen können. "Je mehr ich erreichte, umso depressiver wurde ich", schreibt der heute 30-Jährige. Zwei Jahrzehnte des Versteckens, der Angst und der Lügen seien genug, befand er jetzt. "Ich bin erschöpft", schrieb der Journalist am Mittwoch in der New York Times und offenbarte seinen Status.

Lange wusste Vargas selbst nicht, dass er gar nicht im Land sein dürfte. Er war fleißig in der Highschool, merzte seinen Akzent mittels TV-Serien und Homeshopping-Kanal aus, schrieb für die Schülerzeitung. Erst bei der Führerscheinprüfung machte ihn eine Beamtin auf seine gefälschte Greencard aufmerksam. "Komm nicht mehr hierher", flüsterte sie dem Jugendlichen ins Ohr. Er verstand nicht. Sein Großvater beichtete ihm, die Papiere gekauft zu haben. Mit diesem Tag wurde die Angst Vargas' steter Begleiter.

Trotzdem machte er seinen Weg. Geholfen haben ihm dabei beherzte Lehrer und Vorgesetzte, die sein Potenzial erkannten und ihn unterstützen. Sie verhalfen ihm zu einem Stipendium, bei dem der Aufenthaltstitel keine Rolle spielt, und er studierte an der San Francisco State University.

Mit guten Noten und einer gefälschten Sozialversicherungskarte bekam er Praktika bei diversen Zeitungen und landete als Reporter bei der Washington Post. 2009 wechselte er zur renommierten Online-Zeitung Huffington Post. Immer dabei: die Panik, entdeckt zu werden.

Allein in den letzten beiden Jahren hat die US-Regierung 800.000 illegale Einwanderer ausgewiesen, geschätzte elf Millionen Menschen leben heute ohne Papiere in den USA. "Ich zahle hier Steuern, habe hier studiert und die wichtigsten Menschen des Landes interviewt", schreibt Vargas. "Aber ich bin und bleibe ohne Papiere." Er hat sich bereits juristischen Beistand gesucht. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2011)