Wien - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will bei der Schuldenkrise in Griechenland nicht über eine Pleite des Landes oder einen "Haircut" (Schuldennachlass) reden. So etwas "soll man sich nicht wünschen", sagte Faymann am Sonntag in der "Pressestunde" des ORF-Fernsehens. Besser wäre es, wenn Athen den "Gordischen Knoten" lösen könne, nämlich sparen, die Steuereinnahmen erhöhen, Schulden zurückzahlen und in seine Wettbewerbsfähigkeit investieren. Eine Staatspleite für Griechenland könne er nicht ausschließen, da er nicht wisse, ob die Bevölkerung den Sparkurs mitträgt. Auch Österreich sei mit Haftungen und Krediten Risiken eingegangen, habe aber noch nichts verloren. Forderungen nach einem "Raus aus der EU oder dem Euro" nannte Faymann "unsinnig" und "hetzerisch". Für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ab 2013 hält er eine Volksabstimmung nicht für nötig, da es dabei um eine marginale EU-Vertragsänderung gehe.

Zu Griechenland müssten IWF, EZB, EU-Kommission und Athen gemeinsam ein Szenario entwickeln, wie die Struktur des Landes verändert werden könne, damit es nicht ständig zu einem "Verschieben bis zum nächsten Katastrophen-Szenario" komme. Griechenland habe über Jahrzehnte bestimmte nötige Maßnahmen nicht getroffen und habe deshalb nun "alle Sorgen zugleich". Klar sei bei allen Spar-Erfordernissen und Reform-Notwendigkeiten, dass Griechenland auch Spielraum zum Investieren haben müsse, denn sonst werde es seine Wettbewerbsfähigkeit nicht wiederherstellen können.

Keine Rechnung

Künftige neue Hilfe für Athen seien an "ordentliche Bedingungen" zu knüpfen, ließ Faymann keinen Zweifel. Eine Rechnung, wie viel die Griechenland-Hilfe koste, könne derzeit noch nicht angestellt werden: "Erst ist zu klären, wie viel Risken haben wir." An Schätzungen, bei denen man die Bedingungen nicht kenne, habe er "gar kein Interesse". Oft würden die Menschen sogar meinen, dass unkontrolliert Geld weitergegeben werde: "Viele glauben sogar, wir hätten dort schon Geld verloren." Was bisher an Krediten und Haftungen gegeben wurde, sei zwar "ein Risiko, aber noch nicht abgeschrieben". Da noch kein Verlust eingetreten sei, würden alle dazu genannten dreistelligen Millionen- und sogar Milliarden-Beträge "nicht stimmen".

"Wir lügen die Leute nicht an"

"Wir legen den Leuten auf den Tisch: was ist gelöst, was ist nicht gelöst. Wir lügen die Leute nicht an", betonte der Bundeskanzler zu den Griechenland-Hilfen. Was FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache vorschlage - aus der EU austreten oder nicht mehr weiter zahlen -, halte er für einen Unsinn, denn das würde einen Austritt aus Euro und EU bedeuten. "Raus aus allem" seien "hetzerische Forderungen". Der Euro habe Österreich und anderen Ländern sehr viel gebracht, er sei wichtig für einen florierenden Außenhandel, begünstige den Arbeitsmarkt und ermögliche ein starkes Wirtschaftswachstum.

Eine Volksabstimmung über den ab Mitte 2013 geplanten permanenten Stabilitätsmechanismus ESM, der den vorläufigen Euro-Krisenfonds EFSF ablösen soll, hält Faymann nicht für erforderlich. Er verwies in der "Pressestunde" darauf, dass es nicht um eine grundlegende Änderung des Vertrags gehe: Geändert werde nur "ein Satz - das ist kein geänderter Reformvertrag". Der ESM-Passus komme im übrigen nur deshalb überhaupt in den EU-Vertrag hinein, weil das die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Hinblick auf die nationale Gesetzeslage verlangt habe. Die Mehrheit der EU-Staaten habe erklärt, sie bräuchten diese Verankerung nicht. Da der neue Passus erst im Jänner 2013 zu ratifizieren sei, gebe es für einen Parlamentsbeschluss in Österreich noch bis Herbst 2012 Zeit - ausreichend, um auch Oppositionsparteien von der Notwendigkeit zu überzeugen.

Widerstand

Auf Widerspruch der Oppositionsparteien stößt die Verteidigung der Griechenland-Hilfe durch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-"Pressestunde" von Sonntag. FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache gibt dem Regierungschef "mehr als drei 'Nicht Genügend'" zum Thema Griechenland. Grünen-Chefin Eva Glawischnig wirft dem Kanzler ein Schönreden und Augenverschließen vor der Realität vor. Und BZÖ-Chef Josef Bucher verweist darauf, dass Faymanns Aussagen jenen von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) widersprechen würden, was die Rückzahlung von Hellas-Hilfen betreffe.

Strache forderte Faymann auf, er solle die realistischere Variante eines Scheiterns der Griechenlandhilfe in Erwägung ziehen und "die Leute nicht anschwindeln, sondern den offenbar vorhandenen Plan B ehrlich auf den Tisch legen". Wenn der Kanzler von einem "mittelfristigen Szenario" für das südeuropäische Land spreche, bereite der die Österreicher auf weitere Zahlungen vor. Und ein weiteres "Nicht Genügend" erhalte Faymann für seine Distanzierung zur seinerzeit von ihm selbst via "Krone"-Leserbrief angekündigten Volksabstimmung zu EU-bedingten Verfassungsänderungen wie nun der permanente Euro-Stabilitätsmechanismus ESM ab Mitte 2013.

Aus Sicht von Glawischnig "verschließt Faymann die Augen vor der Realität", wenn er die budgetäre Situation Griechenlands schönrede. Das Land sei nicht bloß illiquid, sondern teilinsolvent. Daher führe an einem Schuldennachlass nichts vorbei, um die griechische Volkswirtschaft wieder auf tragfähige Basis zu bringen. Nur so müssten und könnten Banken, "die bisher von den fetten Zinsen profitiert haben", auch an der Last beteiligt werden, meinte die Grünen-Chefin in einer Aussendung.

BZÖ-Obmann Bucher meinte, der SPÖ-Kanzler habe am Sonntag der ÖVP-Finanzministerin Fekter widersprochen, die ständig garantiere, dass das nach Griechenland überwiesene Geld samt Zinsen wieder zurückfließe. Denn Faymann habe in der "Pressestunde" nicht versprechen können, dass die Milliarden Steuergeld, die nach Athen überwiesen worden seien, je wieder zurückgezahlt würden. Von Faymann und Fekter forderte Bucher in einer Aussendung deshalb "endlich Klarheit sowie einen sofortigen Zahlungsstopp". (APA)