Bild nicht mehr verfügbar.

Wasserstofftussi oder junge Frau mit Pigmentstörung? Menschen mit Albinismus sind nicht selten Vorurteilen ausgesetzt. (Symbolbild)

Foto: APA/EPA/Valda Kalnina

Es sind dieselben Einschränkungen, von denen Menschen mit Albinismus berichten: Aufgrund der verminderten Sehkraft muss man auf Führerschein und Autolenken verzichten, Radfahren oder Ballsportarten sind häufig nicht drin. Auch daran, dass man sich besonders gut vor der Sonne schützen muss, hat man sich längst gewöhnt.

Damit lässt es sich gut leben, sagen Betroffene. Was für Unmut sorgt, ist das Unverständnis der Menschen. "Das Problem ist: Es handelt sich um eine Behinderung, die einem kein Mensch ansieht - darum kann auch niemand Rücksicht nehmen", erklärt eine Frau aus der Steiermark. "In der Wahrnehmung gibt es für die Leute entweder 'blind' oder 'normal'", sagt eine 26-jährige Wienerin. "Bei mir ist es aber so: Wenn es relativ abgedunkelt ist, sehe ich ganz gut. Wenn die Sonne mich blendet, erkenne ich fast nichts. Bitte ich dann um Hilfe stoße ich auf Unverständnis, weil niemand damit gerechnet hat, dass ich eine Beeinträchtigung habe."

Von Mitschülern gehänselt

Das Anderssein bereitet vor allem im Kindesalter und in der Pubertät Schwierigkeiten. "Ich komme aus einem kleinen Ort, meine Mutter hat mir immer vermittelt einen Makel zu haben, weil ich die Blicke der Leute auf mich zog", sagt die 37-jährige Steirerin. Die Haare wurden ganz kurz geschnitten, damit die außergewöhnlich helle Farbe nicht so auffiel. In der Schule wurde sie als "Weißkopfgeier" gehänselt, in der Pubertät empfand sie es als schlimm, wenn sich die anderen in der Sonne bräunten und sie hell blieb oder wenn sie als "Wasserstofftussi" bezeichnet wurde. "Ich habe erst lernen müssen, dass es völlig in Ordnung ist, so wie ich bin. Es hat eben Zeit gebraucht um selbstbewusst zu werden, kurze Hosen oder Kleider zu tragen - das musste ich mir erarbeiten." Manchmal gab es aber auch Komplimente für die hellblonden Haare. "Da bin ich draufgekommen, dass die Kommentare nicht immer nur abschätzig sind, dass es zum Teil auch Bewunderung gibt."

Auch die junge Wienerin kennt das Getuschel hinter ihrem Rücken: "Wie kann man im Sommer nur so weiß sein?" In der Schule sei sie bei den Ballsportarten aufgrund der fehlenden Hand-Augen-Koordination „eine Niete" gewesen. Die Suche nach einem Augenarzt, der den Albinismus erstens erkennt und zweitens damit umzugehen weiß, war langwierig. "Ich war bei fünf bis sechs Augenärzten bis ich den richtigen gefunden habe", so die berufstätige Studentin. Es sei schwer, "die richtige Diagnose ohne Schauermärchen" zu erhalten und einen Mediziner zu finden, der die passenden Behelfe vorschlägt.

Keine Unterstützung in der Schule

Die Frau aus Graz erinnert sich zurück, dass sie in der Schule eine Lupe benutzen musste, um die Ländernamen im Atlas zu erkennen. "Ich habe nichts als bunte, verschwommene Felder gesehen und hatte immer das Gefühl, dass kein anderer dasselbe Problem hat." In der Schule gab es damals keinerlei Unterstützung, weder durch vergrößerte Kopien oder durch mehr Rücksichtnahme im Turnunterricht. "Ich hatte nach dem Turnen am Sportplatz jedes Mal einen Sonnenbrand", erzählt die heute 37-Jährige.

Auch ein Studium zu absolvieren sei nicht immer einfach, wenn man nicht "blind genug" sei. Es gibt keine speziellen Hilfestellungen, man sitzt in der ersten Reihe und kann doch nichts lesen. "Es ist dieses: Ich bin nicht blind, ich bin nicht normalsichtig", so die Wienerin. Auch Arbeitgeber wissen oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Sie können schwer einschätzen, was machbar ist und was nicht. "Deshalb ist es wichtig, das selbst anzusprechen. Je offener man damit umgeht, desto besser kommen auch die Mitmenschen damit zurecht", sagt die Wienerin. Gerade durch diese Offenheit im Lebenslauf fühlte sich die Betroffene aus der Steiermark bei der Jobsuche nach dem Studium aber benachteiligt.

Das fehlende Sehvermögen kompensieren manche durch doppelten Ehrgeiz, andere durch mehr Konzentration und genaueres Zuhören. "Das war alles nicht einfach, aber ich habe für mich selbst eine Strategie entwickelt und mir vorgenommen: Ich krieg das irgendwie hin", sagt die 37-jährige Grazerin rückblickend. (mak, derStandard.at, 20. Juli 2011)