Hawaii am 22. Juni 2011 - 03:39 Uhr: Eine riesige Lichtblase bläht sich auf und verschwindet.

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Gelegentlich schafft es der nächtliche Sternenhimmel, durch ein unerklärliches Ereignis zufällige Beobachter in fassungsloses Erstaunen zu versetzen. Nur sehr selten können derartige Wunder per Kamera festgehalten werden. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass genau das vor wenigen Tagen in Haiwaii gelungen ist: Eine beim Canada-France-Hawaii Telescope auf dem Gipfel des Vulkans Mauna Kea auf Hawaii in Richtung Osten montierte Webcam erfasste am frühen Morgen des 22. Juni eine Lichterscheinung, die Augenzeugen ratlos und erstaunt zurückließ.

Was war geschehen? Zu sehen sind zunächst der nächtliche Sternenhimmel und ein nur vage auszumachender Horizont. Plötzlich erscheint eine kleine Lichtkugel an der Grenze zwischen Himmel und Erde, die sich innerhalb kurzer Zeit zu einer gigantischen, kontinuierlich blasser werdenden Sphäre aufbläht, bis sie beinahe das gesamte Bild ausfüllt und schließlich verschwindet. Das Phänomen beginnt um etwa 03:39 Uhr und verliert seine Sichtbarkeit gegen 03:45 Uhr – dauert also insgesamt etwas mehr als fünf Minuten.

Verständlicherweise löste das Ereignis aufgeregte Diskussionen in diversen Internetforen aus: Die Spekulationen zur Ursache der riesigen Lichtkugel reichten von "transdimensionale Sternentore" über "Alienraumschiffe", die einander bekämpften, bis zu Explosionen im erdnahen Weltraum.

Und tatsächlich: Letzteres könnte der Wahrheit recht nahe kommen, denn was diese Erscheinung letztlich ausgelöst haben dürfte, ereignete sich im Grenzbereich zwischen Atmosphäre und Weltraum: Poster wiesen im Astronomie-Forum "Starship Asterisk*" schon recht bald auf ein zeitliches Zusammentreffen der Himmelserscheinung und einem Raketenstart auf der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien hin.

Phil Plait war einer der ersten, die auf das Video von der seltsamen Lichtblase aufmerksam machten. Der Astronom hält das Phänomen für eine Folge der Absprengung der dritten Raketenstufe einer Minuteman III-Interkontinentalrakete, die um 03:35 Uhr Hawaii-Zeit in Kalifornien abgehoben hatte. Der bei dem Vorgang ausgestoßene Treibstoff könnte das Phänomen verursacht haben, glaubt der Forscher.

"Glory Trip 204"

Jonathan McDowell von der Harvard University verfolgt routinemäßig Raketenstarts und ist mehr oder weniger der selben Meinung: "Ich bin hundertprozentig sicher, dass es der 'Glory Trip 204' war, der Teststart einer Minuteman-III-Rakete, und dass das, was wir gesehen haben, mit der Zündung der dritten Stufe des Feststofftriebwerks in Zusammenhang stand."

Nicht so sicher ist sich der Astronom allenfalls darüber, wie die Lichtblase konkret zustande kam. "Möglicherweise war es auch heißes Gas, immerhin handelte es sich um ein Feststofftriebwerk, das auch viel Ruß ausstößt." Das Wesentliche daran sei jedenfalls, so McDowell, dass das Ereignis einige hundert Kilometer vom Erdboden entfernt stattgefunden habe und das dortige Beinahe-Vakuum zu zwei wichtigen Effekten führe: "Erstens kann dort selbst ein kleines Ereignis ein riesiges Gebilde entstehen lassen. Und zweitens: Man erhält sehr regelmäßige Formen."

McDowell erinnerte das Ereignis übrigens an die mysteriöse Himmelsspirale über Norwegen im Jahr 2009. Auch damals kreisten die meisten Erklärungsversuche um Aliens und UFOs – bis sich herausstellte, dass die Erscheinung auf ein außer Kontrolle geratenes Raketentriebwerk zurückzuführen war. (red)