Im Prozess in der "Part-of-the-game"-Affäre gegen den Kärntner FPK-Landesparteichef und Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch hat Richter Christian Liebhauser-Karl Journalisten "Liveberichterstattung" in Form von Tickern verboten. Das Verbot erfolgte auf Antrag von Scheuchs Verteidigung. Unter anderem "news.at" und "kleinezeitung.at" hatten aus dem Gerichtssaal in Form von Livetickern berichtet.

Hintergrund zu Gerichtsberichterstattung: Grenzfall Live-Ticker

Immer wieder untersagen Richter diese Form der Live-Berichterstattung. Juristisch gesehen obliegt dies dem unabhängigen Vorsitz der Verhandlung, erläuterte der Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek. Im Gesetz eindeutig geregelt ist das Verbot von Live-Aufnahmen, etwa für Hörfunk und Fernsehen. Dass man im Zeitalter des Internet dazu übergegangen ist, unmittelbar in Einzelsätzen aus dem Gerichtssaal zu berichten und diese Nachrichten ebendort über Internetfähige Geräte auch wieder abzurufen, stellt ein Problem für die Justiz dar. Pilnacek verweist darauf, dass sichergestellt werden müsse, dass Zeugen durch im Saal getätigte Aussagen nicht unmittelbar informiert werden dürfen, um nicht beeinflusst zu werden. "Es ist ja auch so, dass sie veranlasst werden, den Saal zu verlassen." Wenn nun aber genau jene Personen hinter der Tür per Smartphone live mitlesen können, was im Saal Thema ist, führt sich diese Vorsichtsmaßnahme aus Sicht der Justiz naturgemäß ad absurdum.

Entscheidung im Einzelfall

Regelmäßig Meldungen aus dem Prozessgeschehen zu verfassen und zu veröffentlichen, ist hingegen kein Problem, erklärte Pilnacek, der von einer "schwierigen Grenzziehung" spricht. "Es ist immer eine Entscheidung im Einzelfall. Die Berichterstattung kann natürlich nie eingeschränkt werden, es sei denn, es handelt sich um nicht-öffentliche Verhandlungen." Grundsätzlich bedeute "live" aus seiner Sicht "die sofortige Online-Stellung" von Nachrichten.

Das Gericht habe jedenfalls dafür im Rahmen der "Sitzungspolizei" dafür Sorge zu tragen, "dass man Personen, die aus guten Gründen noch nichts über das im Saal Gesprochene wissen sollen, einen Riegel vorschiebt".

Grundsätzlich sieht er auch legistische Maßnahmen gefordert, da Live-Ticker per se nicht geregelt sind. "Das ist schon ein Diskussionspunkt, wo es gesetzlicher Präzisierungen bedarf. Man stößt an die Grenze der Freiheit der Berichterstattung." Grundsätzlich sei es aber gut, dass die Regelung im Einzelfall in den Händen des oder der Vorsitzenden liege.

Textberichterstattung rein vom Gesetzeswortlaut nicht verboten

Auch für Medienanwältin Maria Windhager handelt es sich bei Live-Tickern um einen Graubereich. Die gängigen Formen, bei denen die Informationen mithilfe von elektromagnetischen Wellen aus dem Gerichtssaal gesendet werden, seien rein vom Gesetzeswortlaut dann nicht verboten, wenn es sich um eine reine Textberichterstattung handelt.

Welche Aufzeichnungen bzw Übertragungen während einer Gerichtsverhandlung unzulässig sind, wird in den zwei gleichlautenden Bestimmungen des § 228 Abs 4 StPO und § 22 MedienG geregelt.

Demnach sind „Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -Übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte unzulässig“.

Unzweifelhaft verboten ist daher der Einsatz

•von audiovisuellen Aufnahmegeräten (Kameras etc),

•der Einsatz von akustischen Aufnahmegeräten, wenn die Aufnahme zur Ausstrahlung im Hörfunk bestimmt ist,

•die Anfertigung von Fotos sowie

•generell Rundfunkübertragungen aus dem Gerichtssaal.

Eine ‚Anreicherung‘ des Live-Tickers mit Tonbandaufnahmen, Videoaufnahmen oder Lichtbildaufnahmen, die während der laufenden Gerichtsverhandlung gemacht werden (zB Foto vom Angeklagten, wenn das Urteil gesprochen wird), sei jedenfalls unzulässig.

Verfälschung des Prozessverlaufs durch lückenhaften Berichterstattung möglich

Grundsätzlich soll die Beschränkung der Medien in Gerichtsprozessen dem Persönlichkeitsschutz der Beteiligten dienen. Außerdem soll die äußere Ordnung im Gerichtssaal gewahrt und die Wahrheitsfindung nicht beeinträchtigt werden. Der Gesetzgeber fürchtet auch die Verfälschung der Prozessverlaufs durch lückenhafte Berichterstattung.

Ein Live-Ticker wäre theoretisch durchaus geeignet diese soeben angeführten Ziele zu hintertreiben, indem zum Beispiel ein Zeuge schon vor seiner eigenen Aussage auf seinem Smartphone die Aussage der übrigen Prozessbeteiligten mitverfolgen kann. Zeugen sollten nämlich grundsätzlich einvernommen werden ohne zu wissen, was knapp zuvor ausgesagt wurde. Auch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder die einseitige und lückenhafte Berichterstattung seien natürlich möglich.

Das ändere aber nichts daran, dass der Live-Ticker vom Gesetzeswortlaut der § 228 Abs 4 StPO und § 22 MedienG nicht erfasst ist. Bei extensiver Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen könnte man aber eventuell der Ansicht sein, auch die Textberichterstattung des Live-Tickers sei eine Rundfunkübertragung, weil sie sich ähnlicher physikalischer Prinzipien bedient wie eine Rundfunkübertragung.

Diese Ansicht gehe für Windhager aber zu weit. Der Gesetzgeber habe Rundfunkübertragungen verboten, damit der O-Ton der Verhandlung nicht über Rundfunkwellen verbreitet werde. Die Textberichterstattung des Live-Tickers unterscheide sich somit doch gravierend von einer solchen Verbreitung des O-Tons mittels Rundfunkwellen.

Dies bedeute, dass der Live-Ticker grundsätzlich nicht verboten sei. Jedem Richter stehe es aber frei im Rahmen der Sitzungspolizei, gemäß § 233 Abs 3 StPO alle Personen, die seiner Ansicht nach die Verhandlung stören, zu ermahnen und aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen. Im Widersetzungsfall drohen Ordnungsstrafen bis zu € 1.000 bzw. in Ausnahmefällen eine Freiheitsstrafe von bis zu 8 Tagen.

Eine Weisung des Richters an einen Online-Journalisten das Tickern einzustellen ist laut Windhager also grundsätzlich zulässig. Sie werde insbesondere dann angebracht sein, wenn sich Zeugen ansonsten über ihrer Aussage vorhergehende Aussagen im Live-Ticker informieren könnten. Diese Sitzungspolizei sei freilich räumlich auf Ort und zeitlich auf die Dauer der Gerichtsverhandlung beschränkt. Die Medienanwältin weist der Vollständigkeit halber darauf hin, dass nach der medienrechtlichen Lehre die Verbreitung von Fotos oder Filmaufnahmen, die unter Missachtung des Verbots bzw eines entsprechenden Auftrags des Vorsitzenden angefertigt wurden, nicht strafbar sei. Bei einer Veröffentlichung solcher Aufnahmen sei aber – wie üblich – auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen Rücksicht zu nehmen. (APA/derStandard.at, 6.7.2011)