Richard Thompson, lange als Rock's best kept secret gehandelt und vom Rolling Stone als einer der Top 20 Guitarists of All Time gelistet, bei seinem diesjährigen Auftritt beim Musikfest in Waidhofen/Thaya. (Foto: Andreas Biedermann)

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Bekannt für seine twisted love songs und den scharfen Blick auf seine britische Heimat, wurde Thompson vor Kurzem als Officer of the Order of the British Empire geehrt.

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Als Richard Thompson vor Kurzem mit dem Titel Officer of the Order of the British Empire geehrt wurde, meinte ein Kommentator das Kürzel OBE sollte in seinem Fall eigentlich für Observer of the British Empire stehen, gilt doch der Singer/Songwriter und Gitarrist als genauer Beobachter verschiedener Aspekte des britischen Lebens. Und das auch heute noch, nachdem er seit fast drei Jahrzehnten vorwiegend in Los Angeles lebt. Als Gitarrenwunderkind und frühreifer Songwriter hatte Thompson mit Fairport Convention den britischen Folk-Rock Ende der 60er Jahre miterfunden, heute werden seine Songs von Elvis Costello, Los Lobos, R.E.M. und Robert Plant gecovert und von Bob Dylan in seiner Radiosendung gespielt. Im Rahmen seines ersten Österreich-Gastspiels seit 26 Jahren gab Thompson derStandard.at Auskunft über seine vermeintlich dunkle Musik.

derStandard.at: Warum widmen Sie sich in Ihren Songs nach wie vor oft spezifisch britischen Phänomenen?

Thompson: Wenn man über etwas Lokales sehr genau schreibt, erreicht man Universalität. Wenn man die Leinwand sehr genau ausfüllt, werden andere ihre eigene Situation und ihre Probleme wieder erkennen. Im Übrigen ist es ok, britisch zu sein.

derStandard.at: Haben Sie The King's Speech gesehen?

Thompson: Ja, ich fand ihn sehr gut, es ist ein wirklich guter Film.

derStandard.at: Sie sind einer der wenigen britischen Gitarristen der Clapton-Beck-Page-Generation, die es immer vermieden haben, Blues-Licks zu spielen.

Thompson: Ich kann nicht Blues spielen. Ich meine, nicht ernsthaft. Es fühlt sich für mich an, als ob ich den Stil von jemand anderem usurpieren würde.

derStandard.at: Stattdessen tauchen etwa Dudelsack-Phrasen in Ihrem Spiel auf.

Thompson: Das sind die Wurzeln meiner Musik: britische Traditionen, vermischt mit etwas Rock'n'Roll.

derStandard.at: Manche Menschen meinen, Ihre Musik sei dunkel und düster.

Thompson: Mir kommt sie normal vor. Ein Song sollte wie die alten Balladen sein, wie traditionelle Songs, in denen Leute getötet und von Fähren abgeholt werden, in denen Geister vorkommen. Wenn die Leute sagen, meine Musik sei finster, so glaube ich das nicht, sie ist, wie sie sein sollte.

derStandard.at: Wie in den alten Balladen nehmen sie bevorzugt den Standpunkt des Geschichtenerzählers ein. Autobiografische und bekenntnishafte Songs scheinen Sie eher zu vermeiden.

Thompson: Ich lehne es nicht prinzipiell ab, autobiografische Songs zu schreiben, Leute wie Joni Mitchell oder Loudon Wainwright III machen das sehr gut. Aber bei anderen kann das peinlich sein, man denkt sich, wen kümmert's? Wenn man einen Song oder auch ein Buch schreibt oder einen Film dreht, ist es manchmal besser, einen indirekten Weg zu wählen, etwas zu fiktionalisieren und von einem selbst abzurücken. Das macht es für andere Menschen genießbarer. Und es ist auch kreativer als ein Tagebuch, in dem man nur schreibt, heute geht es mir so und so.

derStandard.at: Sie spielen in Ihren Konzerten manchmal den Song Who Knows Where the Time Goes? Ihrer einstigen Fairport-Convention-Kollegin Sandy Denny, von der vor Kurzem eine luxuriöse CD-Box erschienen ist. Steht ein Sandy-Denny-Revival ähnlich jenem von Nick Drake, mit dem Sie auch gearbeitet haben, bevor?

Thompson: Ich hoffe es. Ich hoffe, die Menschen sind sich bewusst, was für eine großartige Sängerin und Songwriterin Sandy Denny war. Ich denke, Nick Drake lässt sich auf eine Weise leichter verkaufen, weil es bei ihm das Element der gequälten Seele gibt, was viele anspricht, erst recht nach seinem Tod. Bei ihm spielt die Idee des unfullfilled genius eine Rolle.

derStandard.at: Sie sind in Elvis Costellos TV-Show Spectacle gemeinsam mit Allen Toussaint, Nick Lowe und Levon Helm, dem einstigen Drummer und Sänger von The Band, aufgetreten. War The Band ein Vorbild für Fairport Convention?

Thompson: Als wir das Debütalbum von The Band, Music from Big Pink, erstmals hörten, ging das sehr gegen den damaligen Strom populärer Musik, gegen den Zeitgeist von Psychedelia. Die Musiker von The Band hatten kurze Haare und spielten Roots Music. Mit Fairport sahen wir das als Zeichen, dass wir das gleiche mit den eigenen Traditionen machen sollten, dass wir nicht den Massen folgen müssen.

derStandard.at: Bob Dylan hat einen Ihrer bekanntesten Songs, Shoot Out the Lights, in seiner Radiosendung Theme Time Radio Hour gespielt und nachher verschmitzt gefragt, ob sie wohl Link Wrays Klassiker Rumble kennen würden, weil Ihr Song ein ähnliches Gitarren-Riff enthält.

Thompson: Shoot Out the Lights ist mehr Duane Eddy als Link Wray. Ich habe für das Riff zwei Songs von Eddy, Because They're Young und Ring of Fire, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Johnny-Cash-Song, kombiniert.

derStandard.at: Das Verarbeiten von fremden Songs wird gerne als folk process bezeichnet.

Thompson: Das Borgen, nicht das Stehlen!

derStandard.at: Wie stehen Sie zur Download-Kultur im Internet und den Auswirkungen auf das Musikgeschäft?

Thompson: Es ist hart für junge Musiker, es ist nicht so schwierig für Leute wie mich, die etabliert sind. Jüngere Künstler brauchen mehr Einkommen, darum geht es. Ich kenne eine Menge junger Bands, die von ihren paar Fans abhängen, um ein Dach über dem Kopf zu haben, zum nächsten Gig zu fahren und auf dem Boden zu schlafen. Das ist irgendwie traurig. Das Einkommen aus den Downloads wäre wirklich sehr, sehr nützlich für viele junge Musiker. Es ist ein Fehler zu denken, das Geld bekommen ausschließlich die Manager und die Plattenfirmen. Das stimmt nicht, mit illegalen Downloads hungert man die Künstler aus.

derStandard.at: Ihr Sohn Teddy Thompson, der auch Musik macht, ist mittlerweile ziemlich etabliert.

Thompson: Ja, aber er verdient kein Geld damit. Wenn er das Geld aus den Downloads bekommen würde, wäre das anders.

derStandard.at: Auch Ihre Tochter Kami ist als Musikerin aktiv und hat gerade eine EP auf iTunes veröffentlicht.

Thompson: Sie hat aber einen normalen Job, als Musikerin könnte sie derzeit nicht überleben. Vor wenigen Tagen wurde Sie allerdings von einem Major Label unter Vertrag genommen. Mal schauen, ob das einen Unterschied macht. (Karl Gedlicka, derStandard.at, 11. Juli 2011)